Die Kompanie der Oger
Wolken. Sie kreischten und heulten und skandierten den Namen ihres Herrn.
»Belok! Belok! Belok!«
Die Rote Frau stöhnte. Es war jedes Mal so ein Theater.
Die Geister formten eine Kolonne sich windender Leiber und verhedderter Haare. Ihre geisterhaften Gestalten verwandelten sich in Drachen, dann Tiger, dann Schlangen. Sie glitzerten hell strahlend und Ned bedeckte seine Augen. Als er schließlich wieder sehen konnte, sah er einen pelzgesichtigen, schnabeltierartigen Zauberer vor sich stehen. Seine Geisterbuhlen liebkosten ihn sanft, während andere ausbrachen und abwesend im Garten herumschwebten. Die Pflanzen verblühten und verdorrten bei ihrer Berührung.
Ned stand wie versteinert da. Er tat so, als glaubte er, dass es irgendein grausiger Zauber war, der ihn festhielt. Aber es war nichts dergleichen. Es war auch nicht Angst oder Ehrfurcht. Eher war es der Schock, allerdings nicht wegen des Zauberers, sondern wegen der Art, auf die alles in seinem Leben so unendlich viel unverständlicher geworden war.
»Hallo Belok«, sagte die Rote Frau.
Belok schnappte mit seinem Schnabel. »Was tust du hier?«
»Bin nur auf Besuch.«
Er schnappte als Zugabe noch einmal mit seinem Schnabel. »Welche Listen hast du ersonnen, Hexe?«
»Keine List. Nur einen Test.«
»Dann komm. Teste meine Macht und stirb.«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich dich testen will«, antwortete sie und setzte sich auf die Bank.
Belok wandte seine wachsamen Augen Ned zu. Der Zauberer hob die Hände und brodelnde Lava tropfte von seinen Fingerspitzen. »Brich meinen Fluch. Brich ihn oder leide in Ewigkeit.«
Ned schluckte. »Ich weiß nichts über Flüche.«
»Lüg mich nicht an.« Die Geister packten Ned an Kragen und Ärmeln und trugen ihn zu ihrem Meister.
»Ich lüge nicht.« Ned schauderte in der kalten Umarmung der Geister. »Ich bin kein Zauberer. Und kein Dämon. Ich bin nur ein Mensch.«
Die Rote Frau lächelte.
»Dein Körper mag sich verändert haben«, sagte Belok, »aber deine wahre Natur kannst du nicht verändern.« Die Geister trugen Ned zu der Roten Frau und setzten ihn unsanft zu ihren Füßen ab. »Verwandle ihn zurück«, befahl Belok der Hexe. »Finde den Zauberer in ihm und verwandle ihn zurück!«
»Das kann ich nicht.«
»Erzähl mir nichts! Du bist seine Wächterin.«
»Nur weil ich ihn am Leben erhalte, heißt das nicht, dass ich ihn auch zwingen kann, irgendetwas zu tun. Die Magie, die hier am Werk ist, liegt außerhalb meiner Kenntnis. Und deiner. Du tätest gut daran, alles so zu lassen.«
Belok ignorierte den Rat, was sie nicht wunderte. Genauso wenig wie die Irre Leere ihre Natur ändern konnte, konnte es auch der Zauberer.
»Wenn du mir nicht helfen willst, dann geh zur Seite«, befahl er.
Die Rote Frau wedelte mit ihrer Hand in Richtung Ned. »Solange du ihn nicht umbringst, ist mir egal, was du mit ihm anstellst.«
Beloks Geister hoben Ned wieder in die Luft. Er zappelte vergeblich. Seine Hand erwischte den Stab der Roten Frau.
»Du sollst auf mich aufpassen«, sagte er. »Es ist deine Pflicht!«
»Um Himmels willen«, sagte der Rabe, »leg wenigstens ein bisschen Würde an den Tag, Mann!« Der Vogel pickte nach den klammernden Fingern und Ned wurde von den heimtückischen Geistern durch die Luft geworfen.
»Versuch bitte, vorsichtig zu sein, Ned«, sagte die Rote Frau.
Die Geister hielten Ned an den Knöcheln. Umgekehrt hängend, während ihm das Blut in den Kopf floss, es in seinen Ohren rauschte und sein Blick sich trübte, sah er die Rote Frau aus dem Garten humpeln und ihn seinem Schicksal überlassen.
»Ich kann nichts tun«, sagte er. »Ich verstehe nichts von Magie.«
Belok gestikulierte und seine Geister hoben Ned so hoch, dass er in die goldenen Augen des Zauberers schauen konnte. »Es ist in dir. Irgendwo ist alles in dir. Alles, was du je warst. Wenn ich tief genug grabe, wenn ich alle falschen Hüllen abziehe, finde ich bestimmt, was ich suche.« Er hob eine Hand mit geschwärzter Haut und Fingern mit Schwimmhäuten und fuhr mit seinen scharfen Nägeln über Neds Haut. »Ich hoffe, das tut weh.«
In diesem Moment hätte Ned schreien sollen. Er tat es nicht. Etwas hielt ihn zurück. Er hatte immer noch keine Angst.
Er war ja kein Mensch, grübelte er. Er war die Irre Leere. Er war die mächtigste Zerstörungskraft in diesem und allen anderen Universen. Er sollte leicht in der Lage sein, Belok zu zerstören, ohne es auch nur zu versuchen. Warum tat er es also nicht? Warum
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