Die Kompanie der Oger
Menschen. Sie fürchten Dinge, die sie nicht verstehen. Und natürlich sind die meisten von ihnen zu sehr damit beschäftigt, Abgaben und Anbetung einzufordern, um zu irgendetwas Wichtigem nütze zu sein.«
Ned legte den roten Stab quer auf seinen Schoß. »Aber warum sollte sie sich selbst opfern? Wenn sie tot ist, bringt das dann nicht das Universum in Gefahr?«
»Zweifellos. Vor allem, weil deine Überlebensfähigkeit ziemlich in Frage steht. Aber sieh es mal von der positiven Seite. Du hast immer noch ihren Stab. Vielleicht ist noch etwas Magie darin übrig. Jetzt musst du nur einen neuen Zauberer finden, der die Kräfte von Leben und Tod beherrscht, damit er dein Wächter wird.«
Ned fuhr mit den Fingern am Stab entlang und wartete auf das Prickeln, den Puls eines Raunens der kleinsten Partikel verbotener Zauberei. Er spürte aber gar nichts. Das Holz war nicht nur kalt, es schien unter seiner Berührung auch abzublättern.
»Macht es dir etwas aus, das Fenster zu öffnen?«, fragte der Vogel höflich. »Es ist ewig her, seit ich mal einen freien Tag hatte, und ich würde gern ein nettes Rabenweibchen finden, um mit ihr die Tage bis zum nahe bevorstehenden Tod des Universums zu vertrödeln.«
Ned erfüllte seine Bitte, nur zu froh, den Raben gehen zu sehen. Der Vogel wandte sich auf der Fensterbank noch einmal um. »Pass auf dich auf, Ned. Und versuch, so lang wie möglich am Leben zu bleiben.« Er breitete seine Flügel aus, zögerte aber. »Oh, und noch was. Ich hätte es beinahe vergessen, aber sie hat mir kurz vor ihrem Tod noch eine Nachricht für dich mitgegeben.«
»Was hat sie gesagt?« Es interessierte ihn zwar nicht, doch er hoffte vergeblich, dass es ihm etwas Einblick bieten möge, wie er mit seiner Zukunft umgehen sollte.
»Hüte dich vor Dämonen.«
Der Rabe flog davon. Ned sah ihm nach und dachte, wie verdammt nutzlos der Rat einer Hexe doch sein konnte. Er hatte immer noch keine Ahnung, was er tun oder erwarten sollte. Nur eines war sicher. Er musste es vermeiden zu sterben. Er würde nicht noch ein Universum zerstören, wenn er es verhindern konnte. Wie der Rabe bezweifelte Ned, dass er es länger als eine Woche schaffen würde. Es hatte zwar längere Zeiträume gegeben, in denen er nicht umgekommen war, aber seit er sich in der Kupferzitadelle befand, hatte sich sein Schicksal zum Schlechten gewendet. Er fand ein wenig Trost darin, dass die Oger-Kompanie zu kommandieren den Ruf hatte, ein gefährlicher Job zu sein. Mit Recht. Aber das musste sich jetzt ändern, und er sammelte das letzte bisschen Entschlossenheit, das er besaß, zu einem festen Knoten in seinen Eingeweiden zusammen. Es war unangenehm, aber er war sich sicher. Er hatte keine Zweifel - zumindest nicht viele -, dass er es schaffen konnte.
Ein fetter Geier landete mit einem Kreischen auf der Fensterbank. Sein plötzliches Erscheinen ließ Ned vor Schreck zurückweichen. Der Stab bahnte sich einen Weg zwischen seine Beine und ließ ihn stolpern. Er fiel rückwärts und schlug mit der Schulter gegen die scharfe Ecke seines Schreibtischs. Ein paar Zentimeter höher und weiter links, und der Schlag hätte ihm den Schädel zertrümmert. Es lief besser als erwartet, weil er nicht starb. Für die meisten Leute keine große Leistung, aber Ned klammerte sich an jeden kleinen Sieg, den er für sich verbuchen konnte.
Der schwarze Geier quetschte sich durch das Fenster, hüpfte auf einen Stuhl und starrte mit seinen gnadenlosen, ebenholzschwarzen Augen auf Ned hinunter. Sein Kopf legte sich schief. Er öffnete seinen krummen Schnabel und raspelte leise. Schwarze Schwingen breiteten sich aus und warfen einen Schatten des Todes über Ned.
Zum Glück glaubte er nicht an Omen.
Er stand auf, rieb sich die schmerzende Schulter und benutzte den Stab, um den grausamen Vogel zurück nach draußen zu bugsieren. Der Geier ließ sich jedoch nicht so leicht entmutigen. Er schnappte nach der Stabspitze. Ned gab nach einer Minute auf. Er starrte dem abstoßenden Vorboten in die Augen.
»Verzieh dich!«
Der Vogel sträubte die Federn und wiegte sich auf dem Stuhl hin und her. Er verschwand nirgendwo hin. Und Ned erwartete das eigentlich auch gar nicht, sondern zuckte bloß die Achseln, wobei er ein Stechen in der Schulter spürte.
»Na gut. Aber wenn du eine Mahlzeit suchst, ich werde es nicht sein.«
Der Geier kreischte einmal, dann machte er es sich bequem, als würde er ganz bereitwillig warten. Ned setzte sich wieder an seinen
Weitere Kostenlose Bücher