Die Komplizin - Roman
denn nun schon wieder angestellt, Bonnie?« Ihre Stimme klang müde.
»Das ist am Telefon schwer zu erklären. Es hat sich eine Menge getan. In Wirklichkeit liegen die Dinge ganz anders, als ich dachte. Ich würde mich gern so bald wie möglich mit dir treffen.«
»Wo bist du?«
»Bei ihm zu Hause.«
Nun folgte ein langes Schweigen, das ich nicht brechen wollte. Schließlich sagte sie: »Ich komme vorbei.«
»Er braucht nicht zu wissen, dass du es warst.«
»Ich komme vorbei, habe ich gesagt. Gib mir seine Adresse.«
Als ich ins Haus zurückkehrte, hob Neal den Kopf.
»Bevor du jetzt irgendetwas sagst«, erklärte er, »muss ich noch etwas wissen.«
»Lass hören.«
»Hast du ihn geliebt?«
Ich antwortete so schnell, dass mir keine Zeit blieb, die Bremse zu ziehen. »Das weiß ich selbst nicht so genau, aber manchmal fehlt er mir so sehr, dass ich es kaum ertragen kann.«
Davor
Ich folgte Hayden den Hügel hinauf. Durch den dünnen Stoff seines Shirts zeichneten sich seine Muskeln ab. Er hatte breite, kräftige Schultern. Als könnte er meinen Blick spüren, drehte er sich um. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und ließ es gleich viel weicher erscheinen.
Die Leute sagen oft, es sei »nur Sex«. Nur Sex, nur Verlangen, nur etwas Körperliches. Ich weiß nicht, was das heißen soll. Verlangen durchströmte mich von Kopf bis Fuß, der Sex verwandelte mich und gab mir das Gefühl zu leben, und jeder Nerv in meinem Körper surrte vor purer körperlicher Lust.
Ich beschleunigte meine Schritte, bis ich auf einer Höhe mit ihm war. Wir berührten uns nicht, doch der Raum zwischen uns vibrierte. Meine Sommertage, kein Davor und kein Danach – nur jetzt, nur er.
Danach
Anfangs waren wir ein wenig befangen, fast schon verlegen – als brächten wir es nicht fertig, uns dem Ausmaß und dem Wahnsinn unserer Taten zu stellen, so dass wir uns stattdessen
in eine Art Förmlichkeit flüchteten. Keiner von uns wusste so recht, wie er sich verhalten sollte: Neal, der schon einen sitzen hatte, hüllte sich in Schweigen, Sonia gab sich ihm gegenüber kühl und distanziert, und ich konzentrierte mich darauf, weitere dieser peinlichen Kicheranfälle zu unterdrücken.
Trotzdem hatte unser Dreiergespann etwas seltsam Tröstliches. Ich wusste, dass wir damit ein Risiko eingingen. Vielleicht würde es zur Folge haben, dass unser Geheimnis durch irgendeine undichte Stelle sickerte. Vorerst aber – zumindest, solange wir hier in Neals gemütlichem Haus saßen – fühlte ich mich meiner Angst weniger ausgeliefert. Ich betrachtete die beiden: Sonia, die eine graue Baumwollhose und ein weißes T-Shirt trug und keine Miene verzog, und Neal, der den Kopf auf eine Hand gestützt hatte und mit den Fingern Strähnen seines dunklen Haars zu seltsam abstehenden Büscheln zwirbelte. Ich musste daran denken, was diese beiden für mich getan hatten – wobei Neal ja nur irrtümlich geglaubt hatte, es für mich zu tun.
Als Sonia eingetroffen war, hatte ich das Ausmaß ihrer Emotionen fast spüren können. Dass sie ihnen keinen freien Lauf ließ, verstärkte die Wirkung nur noch. Es schien mir, als stünde ihr ganzer Körper unter Strom.
»Schieß los«, sagte sie, als ich ihr die Tür öffnete.
Ich nahm sie mit hinaus in den Garten, weil ich es ihr unter vier Augen sagen wollte. Durch das hell erleuchtete Fenster konnte ich Neal im Wohnzimmer sitzen sehen. Ich erzählte Sonia die ganze Geschichte, ohne irgendetwas auszulassen: von meiner kurzen Episode mit Neal, über die sie ohnehin schon halb Bescheid wusste, von der Affäre mit Hayden, die von Gewalt und Obsession geprägt gewesen war, und von dem Moment, als ich seine Leiche fand und automatisch annahm, dass Neal es getan hatte, und zwar für mich. Mein Bericht war kurz, und als ich ihn beendet hatte, herrschte zwischen uns für eine Weile Schweigen.
»Ich wollte dich schützen«, erklärte sie schließlich.
»Ich weiß.«
»Du hast mich in dem Glauben gelassen, du hättest ihn getötet.«
Ich widersprach ihr nicht, denn letztendlich stimmte es.
»Du hast mich absichtlich in die Irre geführt, Bonnie.«
»Das war nicht meine Absicht, aber ich konnte es dir doch nicht sagen. Du verstehst, warum, oder?«
»So einigermaßen.« Sie klang immer noch sehr beherrscht. »Demnach habe ich das alles also für Neal getan? Den ich kaum kenne.«
»Es tut mir leid, Sonia.«
Sie sah mich einen Moment an. In der Dämmerung wirkte ihre Miene verschlossen
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