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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Abrupt brach ich ab.
    »Warum bist du nicht einfach gegangen?«
    »Ich war der Meinung, du hättest es für mich getan«, antwortete ich. »Ich hatte das Gefühl, dass es meine Schuld sei. Da konnte ich dich doch nicht einfach hängen lassen.«
    »Aber ich war es nicht.«
    »Woher hätte ich das wissen sollen?«
    Neal sah aus, als hätte er gerade eine schlimme Nachricht erhalten, dicht gefolgt von einer noch schlimmeren. Wahrscheinlich fühlte er sich wie ein schwer angeschlagener Boxer.
    »Wer war es dann?«, fragte er im Flüsterton. »Wer hat ihn umgebracht? Verdammt!«
    »Keine Ahnung. Ich weiß überhaupt nichts mehr. Lieber Himmel, nun läuft da draußen ein Mörder frei herum. Dich habe ich nicht als Mörder betrachtet, ich bin davon ausgegangen, dass es ein Unfall war. Nun sieht die Sache natürlich ganz anders aus.«
    »Bonnie, Bonnie, Bonnie.« Neals Stimme klang wie ein Stöhnen. »Als die Leiche nicht gefunden wurde, wäre ich fast durchgedreht.« Er sah mich an. »Und das warst du?« Ich gab
ihm keine Antwort. »Du dachtest, ich hätte ihn getötet, und wolltest mich schützen?«
    »Ich habe mich irgendwie verantwortlich gefühlt.« Ich beugte mich vor und legte meine Hand auf seine.
    »Du wolltest mich schützen und ich dich. Dadurch ist jemand anderer ungestraft davongekommen.«
    »Ja, ich weiß. Aber die Polizei wird denken, dass ich es war. Oder du. Oder wir beide zusammen.«
    Er ließ den Kopf in die Hände sinken, wiegte sich leicht vor und zurück und murmelte vor sich hin. Nach einer Weile schaute er wieder hoch.
    »Also gut, wir müssen über das Alibi reden. Ich habe einen Tatort verändert, und du hast noch viel mehr gemacht als nur das. Zwar hast du niemanden umgebracht  – ich schätze, das ist schon mal als positiv zu werten  –, aber weiß Gott wie viele andere Gesetze gebrochen. Ich frage mich, wie lange dein Plan noch funktionieren wird. Der Wagen, Haydens Wagen  – was ist damit passiert?«
    »Er wurde in Walthamstow gefunden.«
    »Wie ist er denn da hingekommen?«
    »Ich habe ihn dort abgestellt.«
    »Warum denn das?«
    »Das weiß ich selbst nicht so genau. Vielleicht wollte ich die ganze Geschichte noch ein bisschen verwirrender gestalten.«
    »Was für eine geniale Idee.«
    Ich glaube nicht, dass Neal wirklich dieser Meinung war. Wir sahen uns an, und plötzlich hatte ich das eigentümliche Gefühl, in einen Spiegel zu blicken. Zu meiner eigenen Überraschung stieß ich ein schnaubendes Lachen aus, das gar nicht nach mir klang. Ich beobachtete, wie Neal das Gesicht zu einem schockierten Grinsen verzog, obwohl er gleichzeitig Tränen in den Augen hatte. Mir selbst war eigentlich auch mehr nach Heulen zumute, doch stattdessen quoll dieses schreckliche Kichern aus mir hervor. Mir war, als würde es mich vor
lauter Heiterkeit und Entsetzen zerreißen. Im Grunde schien alles, was wir getan hatten, eine einzige schreckliche Farce zu sein.
    »Und währenddessen«, bemerkte Neal, »läuft der wahre Mörder da draußen frei herum. Ohne es zu wissen, haben wir beide die Sache für ihn vertuscht. Bestimmt fragt er sich schon die ganze Zeit, was, zum Teufel, da eigentlich passiert ist und ob er deswegen etwas unternehmen soll.«
    »Ja, du hast recht. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.«
    »Was sollen wir denn jetzt tun, Bonnie? Hast du noch so einen genialen Plan?«
    »Kann ich erst einen Schluck von deinem Wodka bekommen?«

Davor
    Ich legte die mitgebrachte CD von Hank Williams ein. Wir tranken jeder ein Glas von dem Weißwein, den ich ebenfalls mitgebracht hatte, und Hayden rauchte dazu eine Zigarette. Nach der fünften oder sechsten Nummer über Einsamkeit, Liebeskummer, Scheidung und Entwurzelung schien mir die Scheibe plötzlich keine so gute Wahl mehr zu sein, so dass ich Hayden fragte, ob ich lieber etwas anderes auflegen solle.
    »Wozu?«
    »Ist das nicht ein bisschen deprimierend? In jedem Song geht es um irgendeine Art von Unglück. Mein Baby hat mich verlassen, und ich bin so einsam, dass ich heulen könnte .«
    »Wenn etwas so gut ist«, entgegnete Hayden, »kann es gar nicht deprimierend sein. Der Mann ist unser aller Daddy. Vergiss Dylan und Buddy Holly. Hank war der erste große Sänger und Songschreiber in einer Person. Er hat über seine eigenen Erfahrungen gesungen. Er ist losgezogen und hat das alles
selbst durchgemacht, und dann hat er schöne Songs darüber geschrieben.«
    »Und ist mit fünfunddreißig gestorben«, fügte ich hinzu, »weil ihm alles zu viel

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