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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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schlecht. Allem Anschein nach war er wütend auf Hayden und wollte irgendetwas klarstellen, doch was auch immer das sein mochte, seiner Musik tat es gar nicht gut. Dass Hayden nicht reagierte, machte die Sache auch nicht besser. Er gab weder sarkastische Kommentare ab, noch wies er die anderen auf ihre Fehler hin. Verbesserungsvorschläge machte er auch keine mehr. Offensichtlich hatte er resigniert  – was für seine Mitspieler natürlich die schlimmste Beleidigung war. Er wirkte gelangweilt, als befände er sich in Gedanken ganz woanders. Nur ein einziges Mal zeigte er echtes Interesse: als er und Joakim sich in eine Ecke zurückzogen und zusammen an einem Stück feilten, das offenbar nichts mit dem zu tun hatte, was wir anderen spielten. Ich überließ die beiden ihrer Musik.

Danach
    Nachdem Sonia gegangen war, wollte ich ebenfalls aufbrechen, aber Neal schenkte mir ein weiteres Glas Wodka ein. Wir setzten unsere Diskussion nicht fort, dazu war ich einfach nicht mehr in der Lage. Ich wollte nur noch weg, am liebsten auf irgendeine Insel, wo ich über alles nachdenken und in meinem Kopf für Ordnung sorgen könnte. Ich wollte Diagramme zeichnen und Verbindungen herstellen, um mir auf diese Weise endlich Klarheit darüber zu verschaffen, was ich eigentlich getan hatte. Wenn das erst einmal geklärt war, konnte ich vielleicht anfangen, mir Gedanken darüber zu machen, was am Vernünftigsten wäre oder am Richtigsten  – falls das nach diesen
vielen falschen Entscheidungen überhaupt noch eine Rolle spielte. Während ich das letzte Glas leerte, scharwenzelte Neal fürsorglich um mich herum. Ob er sich wohl einbildete, dass uns das alles doch noch irgendwie zusammenbringen würde?
    Meine Zunge kam mir plötzlich doppelt so groß vor wie sonst und schien mir nicht mehr zu gehorchen. Langsam und mit größter Mühe versuchte ich ihm die Situation zu erklären.
    »Ich glaube, ich bin ein bisschen betrunken«, begann ich, »und außerdem stehe ich unter Schock. Ich weiß nicht so recht, ob sich der Schock auf meinen betrunkenen Zustand negativ oder positiv ausgewirkt hat. Jedenfalls werde ich mich jetzt ein bisschen aufs Sofa legen, und wenn du das Licht ausschalten und mich allein lassen könntest, wäre das wunderbar. Sobald ich mich wieder berappelt habe, gehe ich.«
    Er schaltete tatsächlich das Licht aus und verließ den Raum, kam aber gleich darauf mit einer Decke zurück, die er über mich breitete, ehe er endgültig verschwand. In einem Anfall von Rührseligkeit fragte ich mich, wieso ich mich eigentlich mit Hayden eingelassen hatte und nicht mit Neal, obwohl Neal doch in jeder Hinsicht der bessere, geeignetere und anständigere Mensch war. Während ich so in der Dunkelheit lag und meinen Gedanken nachhing, kamen mir fast die Tränen. Nach einer Weile begann ich mich zu fragen, ob ich wohl jemals einschlafen würde, doch dann fuhr ich plötzlich mit einem Ruck hoch, warf einen Blick auf meine Uhr und stellte fest, dass es fast schon halb sieben war.
    Ich fühlte mich schrecklich  – viel schlimmer als vorher. Der Kopf schmerzte, ich hatte einen trockenen Mund, mein Gehirn kam mir vor wie eingerostet, und meine Klamotten fühlten sich unangenehm und kratzig an. Neals Anblick konnte ich jetzt auf keinen Fall ertragen. Ich wollte nur noch weg. Rasch flüchtete ich aus der Wohnung und machte mich auf den Heimweg. Angesichts des morgendlichen Sonnenlichts und der vielen Leute, die schon auf dem Weg zur Arbeit waren,
fühlte ich mich noch unwohler und schmutziger. Zu Hause angekommen, stellte ich mich sofort unter die Dusche. Dann kroch ich ins Bett und zog mir die Decke über den Kopf. Dabei folgte ich keinerlei Plan, sondern eher einem Urinstinkt, der mir nun befahl, erst mal einen ganzen Tag und eine ganze Nacht durchzuschlafen.
    Ich hatte einen Traum, in dem ich einen bestimmten Zug erreichen wollte, aber es einfach nicht schaffte, meine Sachen zu packen. Als es mir dann doch gelungen war, brauchte ich eine Ewigkeit, um mir eine Fahrkarte zu lösen und anschließend den richtigen Bahnsteig zu finden. Ein lautes Pfeifen kündigte die Ankunft oder Abfahrt des Zuges an, doch ich fand einfach den Bahnsteig nicht. Außerdem waren mir mittlerweile sowohl mein Gepäck als auch meine Fahrkarte abhanden gekommen. Langsam verwandelte sich das Pfeifen in ein anderes Geräusch, das mir seltsam bekannt vorkam, bis ich schließlich begriff, dass es sich um die Türklingel handelte. Immer noch halb in meinem Traum

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