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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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abhalten.«
    »Nein, das soll heißen, dass wir meiner Meinung nach nur zwei Möglichkeiten haben: Entweder Hayden geht, oder wir blasen das Ganze ab. Es ist doch nur eine Hochzeit. Im Telefonbuch stehen jede Menge andere Tanzkapellen. Ich glaube, das Brautpaar hätte mehr davon, wenn wir alle zusammenlegen und den beiden einen Karton Weingläser schenken.«
    Ich widerstand der Versuchung, ihm sofort eine wütende Antwort an den Kopf zu knallen, denn ein Teil von mir musste ihm leider recht geben. Ich hatte mich nur auf die Sache eingelassen, weil ich der Meinung gewesen war, es würde keine große Mühe machen und auch nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. In beiden Punkten hatte ich mich geirrt.
    »Nein«, widersprach ich, »dafür ist es nun zu spät. Genau wie beim Poker. Weißt du noch, wie du mir das damals beigebracht hast? Wenn man erst mal sein ganzes Geld gesetzt hat, darf man nicht mehr passen, sondern muss schauen, wer am Ende die besseren Karten hat. Verstehst du, was ich meine?«
    Amos schüttelte bloß den Kopf.
    »Ich glaube, mir ist gerade zum ersten Mal klar geworden, warum es mit uns nicht funktioniert hat. Ich war nicht gut genug beim Musizieren und du nicht gut genug beim Poker.«

Danach
    In Zeiten wie diesen war ich früher immer in die Musik abgetaucht  – an einen Ort, wo weder Worte noch Gedanken existierten und auch keine Notwendigkeit bestand, besonders klug zu tun. Inzwischen aber bot mir die Musik keine derartige Zuflucht mehr. Sie war wie eine Droge, die ihre Wirkung
verloren hatte. Der Klang einer Gitarre oder eines Keyboards spendete mir keinen Trost mehr, sondern erinnerte mich schmerzhaft an all die Dinge, die so schrecklich schiefgelaufen waren.
    In normalen Krisenzeiten  – oder zumindest in Zeiten, die auf normale Weise abnormal waren  – wäre ich losgezogen und hätte mich mit Freunden getroffen. Nun aber wusste ich, dass sie mich nur nach ihm fragen würden. Alle wollten meine Seite der Geschichte hören, mir irgendwelche Erinnerungen entlocken, um auf diese Weise an dem zweifelhaften Ruhm teilzuhaben, eine Person zu kennen, die ihrerseits jemanden gekannt hatte, der einem Mord zum Opfer gefallen war. Mich quälte das Gefühl, dass nur ein einziger Versprecher nötig war, ein falscher Unterton oder eine unüberlegte Antwort, um Argwohn zu erregen und alles zu vermasseln. Ich malte mir aus, wie ich zu irgendjemandem etwas sagte und der oder die Betreffende antwortete: Aber du hast doch gesagt … aber wie ist das möglich … aber bedeutet das nicht, dass … aber warst du nicht …? Wie viele Lügen man auch erzählte, letztendlich lag darunter nur eine einzige Wahrheit verborgen.
     
    Sally rief mich an und teilte mir mit, dass sie und Richard miteinander wegfahren wollten, um zu versuchen, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Dabei heulte sie die ganze Zeit, so dass ich sie kaum verstehen konnte, ihrem Geschluchze aber zumindest entnahm, dass sie erneut bei der Polizei gewesen war, und Richard ebenfalls. Außerdem bekam ich ständig E-Mails und Textmitteilungen von allen möglichen Freunden. Hatte ich schon von der Band gehört, in der er gespielt hatte? Wer konnte ihn umgebracht haben? Sie schickten mir ungemein hilfreiche Links zu Internetberichten über seine Auftritte bei Festivals in Deutschland, Holland und Suffolk. Ihm war sogar ein Wikipedia-Eintrag gewidmet. Darin stand, dass seine Karriere vielversprechend begonnen habe und er in den Neunzigern
als großes junges Talent gehandelt worden sei, sich aber von Anfang an als Freigeist mit einem Hang zur Selbstzerstörung erwiesen habe, so dass er am Ende auf keine allzu großen Erfolge zurückblicken konnte. Damit war ich gemeint. Ich war mit ein Grund, wieso er am Ende auf gar nichts mehr zurückblicken konnte.
    Was ich wusste, war schlimm genug, aber noch schlimmer war, was ich nicht wusste. Ich kam mir vor wie ein völlig unbedeutender Soldat in einer großen Schlacht, eine Randfigur, die nicht mal wusste, worum gekämpft wurde oder wer am Gewinnen war oder welche Taktik zur Anwendung kam, sondern nur hin und wieder in der Ferne Explosionen hörte. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was sie bedeuteten. Und wenn dann plötzlich eine Kampfpause eintrat, wusste ich genauso wenig, was das zu bedeuten hatte. Ich war inzwischen der festen Überzeugung, dass die Polizei tatsächlich keinen blassen Schimmer hatte, wo Hayden getötet worden war. Hegten sie zumindest einen Verdacht? Durchkämmten sie die Wohnung

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