Die Komplizin - Roman
anderem eine Windmühle und ein Pferd oder ein Esel drauf. Ein Geschenk von einer Tante.«
»Daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern.«
Er richtete den Blick wieder auf seinen Zettel.
»Meine Mutter hat mir mal eine blaue Schale geschenkt. Ich hatte keinen großen Bezug dazu, aber anscheinend stammt sie von irgendjemand Berühmtem.«
Ich wollte erneut verneinen, als mir plötzlich wieder einfiel, dass ich die Schale in einen Pappkarton gepackt hatte. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie Amos gehören könnte. Er war einfach nicht der Typ Mann, der eine dekorative Obstschale besaß. Aber vielleicht lag es auch nur daran, dass ich die Einzige war, die besagte Schale jemals aus dem Schrank geholt und mit Obst gefüllt hatte. Jedenfalls war ich davon ausgegangen, dass sie mir gehörte. Bedauerlicherweise folgte auf die erste Erinnerung gleich eine zweite, und ich sah mich die Schale in einen Müllcontainer werfen.
»Ich habe sie nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
»Dann taucht sie bestimmt wieder auf«, meinte Amos. »Sonia hat ein Faible für Obstschalen. Ständig schleppt sie Äpfel, Birnen und Orangen an, für die sie dann kein passendes Gefäß hat. Meiner Meinung nach gehört Obst ja in den Kühlschrank, wenn man schon unbedingt welches kaufen muss. Was bringt es, das Zeug auf den Tisch zu stellen?«
»Sonst noch was?«, fragte ich, um möglichst schnell das Thema zu wechseln.
»Die grünen Handtücher. Waren die wirklich von dir?«
Ich überlegte einen Moment.
»Weißt du, was?«, erwiderte ich schließlich. »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie dir oder mir gehören. Ich dachte, wir hätten das alles längst geklärt, aber wenn du sie möchtest, dann nimm sie doch einfach mit. Eins davon hängt über der
Wanne, du wirst es also vermutlich waschen müssen, bevor du es benützen kannst.«
»Und du hast wirklich einen Blick in alle Bücher geworfen, die du mitgenommen hast? Meistens schreibe ich meinen Namen hinein.«
»Und genau deswegen habe ich extra bei jedem nachgesehen«, entgegnete ich, »aber wenn du trotzdem noch welche von dir findest, kannst du sie gerne mitnehmen.« Der Gedanke an die Schale bereitete mir Gewissensbisse. »Solltest du hier sonst noch etwas entdecken, woran dein Herz hängt, nimm es bitte ebenfalls mit, aber möglichst gleich . Und dann lass uns endgültig einen Schlussstrich ziehen. Wir brauchen so etwas wie … du weißt schon, so eine Regelung wie bei Verbrechen, die ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden können.«
»Eine Verjährungsfrist.«
»Genau. Es gab da diese seltsame Phase in unserem Leben, in der wir unsere Sachen gemeinsam benutzt und zum Teil auch gemeinsam besessen haben, aber diese Phase ist endgültig vorbei.«
Amos faltete seinen Zettel zusammen und steckte ihn wieder in seine Tasche.
»Du kannst die Handtücher behalten«, erklärte er großmütig, »sie sind sowieso schon ein bisschen rau.«
»Und deswegen hast du dich extra herbemüht? Wegen ein paar Handtüchern, die du jetzt doch nicht willst?«
»Und wegen der Kiste mit dem Steely-Dan-Set. Bist du sicher, dass du die nicht doch hast?«
»Steckt da nicht etwas ganz anderes dahinter?«, fragte ich.
Amos tat, als hätte er mich nicht gehört, wanderte im Raum herum und betrachtete die erst teilweise gestrichenen Wände, die Schachteln voller Bücher, die allgemeine Tristesse.
»Du solltest jemanden kommen lassen, der das alles in die Hand nimmt.«
»Das meiste wollte ich eigentlich selber machen. Deswegen bin ich diesen Sommer nicht weggefahren.«
»Sieht aus, als wärst du nicht ganz im Zeitplan.«
»Ich glaube, ich habe mir da tatsächlich ein bisschen zu viel vorgenommen«, räumte ich ein.
»Was ist mit uns passiert?«, fragte er unvermittelt.
»Amos …«
»Was für ein Durcheinander. Während du versuchst, dich hier wohnlich einzurichten, stehe ich mit meinem blöden Zettel da, und wir streiten darüber, wer welches Taschenbuch gekauft hat.«
»Wir haben nicht gestritten, höchstens ein bisschen gezankt.«
»Ich kann gar nicht fassen, wo wir mal angefangen haben und wo wir am Ende gelandet sind. Erinnerst du dich an unsere erste Zeit? Als wir vorhatten, am Kanal entlang bis aufs Land zu radeln, und dann umkehren und mit dem Zug zurückfahren mussten, weil es uns doch zu weit wurde? Damals fanden wir sogar die Dinge, die nicht klappten, irgendwie gut, aber später waren wir dann sogar mit dem, was gut lief, nicht mehr
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