Die Komplizin - Roman
einen gewissen Sinn. Wobei in seinem Fall so ziemlich alles einen Sinn ergäbe. Er hat sich so viele Feinde gemacht. Ich habe früher immer zu ihm gesagt, dass es mir fast so vorkam, als würde er sich richtig ins Zeug legen, um es sich mit möglichst vielen Leuten zu verderben – als wäre das für ihn ein Zeichen von Authentizität oder so was in der Art. Diese gottverdammten Musiker!«
»Demnach sind Sie selbst keine Musikerin?«
»Was das betrifft, ist bei mir Hopfen und Malz verloren. Als Kind bin ich sogar an der Blockflöte gescheitert. Ich arbeite als Logopädin. Kein Wunder, dass es mit uns nicht geklappt hat – eine völlig unmusikalische Teilzeitlogopädin, verheiratet mit einem verantwortungslosen, aber sehr charmanten Sänger, der jede Art von Bindung als tödlichen Kompromiss betrachtete.«
Wir schwiegen beide einen Moment.
»Bitte erzählen Sie es niemandem.«
»Was?«
»Dass er mich geschlagen hat.«
»Wem sollte ich davon erzählen?« Sie musterte mich neugierig. »Bereitet Ihnen irgendetwas Sorgen?« Ich glaubte, aus ihrer Stimme einen heimtückischen Unterton herauszuhören, und hatte plötzlich das Gefühl, dass sie meine Feindin war –
aber vielleicht war das nur ein weiteres Anzeichen dafür, dass ich langsam verrückt wurde.
Davor
Hätte ich mir aussuchen können, wen ich auf keinen Fall sehen wollte, nachdem ich quasi im Laufschritt aus meiner Wohnung geflohen war, hätte die Liste folgendermaßen gelautet, wobei ich mich hinsichtlich der Reihenfolge nicht festlegen konnte: Neal, Amos, Guy, Joakim, wahrscheinlich auch Hayden und Sonia. Ach ja, und Danielle, die Person, der es letztendlich zu verdanken war, dass ich diese unselige Band überhaupt ins Leben gerufen hatte. Sie erkannte mich schon von ferne, so dass wir beide die ganze Zeit wie Idiotinnen grinsten, während wir aufeinander zusteuerten. Danielle hatte zusätzlich die freie Hand hochgehoben, mit der sie keine Einkaufstüten schleppte, und ließ sie keine Sekunde sinken, als befürchtete sie, ich könnte sie sonst aus den Augen verlieren. Mit ihrem blassblauen Hängerkleidchen und den schönen Sandalen wirkte sie wie aus dem Ei gepellt – gepflegter und blonder denn je. Ihre Lippen schimmerten, ihre Zähne leuchteten weiß, ihre Beine waren glatt und gebräunt. Am liebsten hätte ich ihr ans Schienbein getreten, als ich sie schließlich erreichte.
»Was für ein wunderbarer Zufall!« Während sie mir ein vorsichtiges Küsschen auf die Wange drückte, stieg mir der Duft ihres Parfüms in die Nase.
»Ja«, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Du wirkst irgendwie erhitzt… und was hast du da für Zeug im Haar?«
»Ich bin erhitzt, und das Zeug ist Tapete.« Als ich mir mit den Fingern durchs Haar fuhr, fielen ein paar Fetzchen heraus.
»Ich bin gerade am Renovieren und musste einfach mal ein paar Minuten weg von meiner Baustelle.«
Ich spürte, wie ihr Blick von meinem staubigen Gesicht zu den Schweißflecken unter meinen Achseln wanderte.
»Komm, ich lade dich auf ein kaltes Getränk ein«, meinte sie, »ich kann selbst auch eine kleine Erfrischung gebrauchen. Sollen wir gleich hier reingehen? Es sieht einigermaßen kühl aus.«
Sie bestellte mir ein großes Glas altmodische Limonade und für sich ein Ingwerbier. Wir ließen uns damit in einer dunklen Ecke nieder, weit weg von den Sonnenstrahlen, die schräg durch das Fenster des Cafés fielen.
»Wie läuft es denn so?«, fragte ich sie.
»Hektisch! Du glaubst nicht, was man vor so einer Hochzeit alles erledigen muss. Ich habe lauter Listen, aber sobald ich einen Punkt durchgestrichen habe, fällt mir schon ein neuer ein. Es nimmt einfach kein Ende.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Aber nun ist es ja bald so weit. Eigentlich sollte ich dich fragen, wie es läuft. Alles im grünen Bereich?«
»Du meinst …?«
»Die Musik natürlich. Ich hoffe, du hast nicht das Gefühl, dass ich euch vernachlässige?«
»Nein, keine Sorge.«
»Vielleicht sollte ich ja mal vorbeikommen und euch zuhören, damit ich einen Eindruck bekomme, was mich an meinem großen Tag erwartet.«
»Ich fände es besser, wenn wir dich damit überraschen.«
»Du hast recht, dann ist es wahrscheinlich noch aufregender. Bestimmt wird es ganz wunderbar!«
»Ich wünschte, ich könnte deinen Optimismus teilen.«
»Sei nicht so bescheiden, Bonnie.« Sie runzelte die Stirn. »Ihr habt doch sicher fleißig geübt, oder?«
»O ja.«
»Dann seid ihr also
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