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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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bereit?«
    Ich musste an die angespannte Stimmung bei unseren Proben denken, die vielen Auseinandersetzungen, die oft damit endeten, dass jemand beleidigt aus dem Raum stürmte. Ganz zu schweigen von den unvorhersehbaren Geräuschen, die wir produzierten. »Ja, keine Sorge«, antwortete ich mit Nachdruck.
    »Natürlich hätte ich das gar nicht erst zu fragen brauchen. Du bist ja ein Profi. Wie viele Nummern  – so sagt ihr Musiker doch  – werdet ihr denn spielen?«
    »Nur vier Songs«, antwortete ich.
    »Nur vier?«
    »Glaub mir, Danielle, das reicht.«
    »Tja, du bist der Boss.«
    »Genau.«
    »Gut, dass wir uns über den Weg gelaufen sind, ich wollte dich nämlich sowieso anrufen und etwas fragen.«
    »Schieß los.«
    »Es geht darum, was ihr tragen wollt.«
    »Tragen?« Ich starrte sie verständnislos an.
    »Ja. Wenn ihr spielt.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«
    »Mich würde beispielsweise interessieren, ob ihr vorhabt, euch alle gleich anzuziehen.«
    »Moment mal, Danielle …«
    »Ich habe mir gedacht, irgendetwas im Hillbillystil wäre nett. Lässige Baumwollhosen mit Hosenträgern, dazu vielleicht einen Hut. Oder mögt ihr Frauen das nicht?«
    »Die Frage ist eher, ob die Männer es mögen.«
    »Du hältst es also für keine gute Idee?«
    »Nein.«
    »Vielleicht etwas Romantischeres.«
    »Romantisch?«
    »Lange, fließende Gewänder für die Frauen, ihr könntet sogar Blumen im Haar tragen …«

    »Mein Haar ist zu kurz für Blumen.«
    »Was hältst du von leichten Sommeranzügen für die Männer? Und dazu Hüte. Weiche Filzhüte. Oder passt das nicht zusammen? Was meinst du?«
    »Willst du meine ehrliche Meinung hören?«
    »Ja.«
    »Wir haben uns bereit erklärt, auf deiner Hochzeit zu spielen, aber es war nie die Rede davon, dass wir uns verkleiden.«
    »Oh. Aber lasst mich trotzdem vorher wissen, was ihr anziehen werdet, ja?«
    »Hör zu, Danielle, ich möchte noch einmal in aller Deutlichkeit klarstellen, dass …«
    »Mein Gott, ist es wirklich schon so spät? Ich muss los! Wie schön, dass wir Zeit für diesen kleinen Plausch gefunden haben …«
    »Bis dann«, sagte ich zu ihrem entschwindenden Rücken und ihrer schicken Pagenfrisur, die fröhlich wippte, während sie davoneilte.

Danach
    Die nächste Probe organisierte Joakim. Mir graute richtig davor, aber er ließ mir keine Ruhe. Nachdem er mich deswegen bereits mehrmals angerufen hatte, erklärte er mir schließlich, wir müssten entweder den ganzen Auftritt absagen oder uns treffen. Die Entscheidung liege bei mir. Dann sprach er von Hayden. Davon, dass wir ihm mit unserem Auftritt die letzte Ehre erweisen würden. Und dass er das sicher so gewollt hätte. Irgendwie fand ich diese Vorstellung auf eine schreckliche Weise komisch. Die Leute sagten immer solche Sachen über die Toten. Auf einmal wussten alle ganz genau, was »sie gewollt hätten«. Ich musste mich richtig beherrschen, denn am liebsten hätte ich in den Hörer geschrien, dass
Hayden schon zu Lebzeiten nicht so recht gewusst habe, was er wollte. Mittlerweile lag er in weiß Gott welchem Zustand im Kühlfach irgendeiner Leichenkammer. Der Hayden, den wir gekannt hatten, existierte nicht mehr. Was spielte das alles noch für eine Rolle? Im Grunde aber wusste ich, dass das mein Problem war und nicht das von Joakim. Er war noch so jung, so voller Hoffnung, glaubte, noch etwas für Hayden tun zu können. Seiner Meinung nach waren solche Gesten wichtig, und wahrscheinlich hatte er damit sogar recht. Ich konnte es nur nicht mehr erkennen.
    Joakim rief in der Schule an und brachte es doch tatsächlich fertig, den Hausmeister, der sonst auf niemanden hörte, irgendwie dazu zu überreden, uns einen von den Probenräumen aufzuschließen. Ich war der Meinung gewesen, dass es Vorschriften oder Versicherungsbestimmungen gab, die so etwas unmöglich machten, aber Joakim schaffte es trotzdem. Als wir eintrafen, brachte er uns sogar ein Tablett mit Kaffeebechern aus dem Café gegenüber. Mir wären fast die Tränen gekommen. Nachdem wir ein paar Schlucke getrunken hatten, griffen wir nach unseren Instrumenten. Wir wirkten alle so nervös, als spielten wir zum ersten Mal. Joakim stieß ein Hüsteln aus und verkündete, er habe ein paar Ideen. Er zog einen Zettel heraus, auf dem er sich etliche Akkorde notiert hatte. Mir wurde schnell klar, dass er »Nashville Blues« von den schwierigsten Stellen befreit hatte, damit wir den Song auch ohne Hayden einigermaßen hinbekamen.

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