Die Komplizin - Roman
sie es ihm mal zu Weihnachten geschenkt. Ich schloss den obersten Knopf und sagte: »Sie sind Hannah Booth.«
»Richtig, ich war mit Hayden verheiratet. Und Sie sind Bonnie Graham.«
»Ja.«
»Wie ich gehört habe, kannten Sie meinen Mann?«
»Ja.« Zögernd fügte ich hinzu: »Möchten Sie nicht hereinkommen? Allerdings herrscht bei mir gerade ein fürchterliches Chaos. Alles liegt herum.«
»Kein Problem.« Sie bedachte mich mit einem zurückhaltenden Lächeln. »Das ist mir völlig egal.«
Ich führte sie in die Küche und bot ihr Tee an. Als sie sich setzte und ihre schmalen Hände auf den Tisch legte, sah ich, dass sie keinen Ehering trug.
»Das mit Hayden tut mir so leid«, erklärte ich.
»Danke.«
»Ich habe das Interview mit Ihnen gelesen.«
»Oh, das. Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas davon tatsächlich gesagt habe. Außer dass es ein Schock für mich war.«
»Wie haben Sie davon erfahren?«
»Sie meinen, von Ihnen? Ich habe mit Nat gesprochen. Er hat mir erzählt, dass Sie und Hayden …« Sie hielt kurz inne und verzog das Gesicht. »Dass Sie sich wohl recht nahestanden. Was auch immer das in Haydens Fall heißen mag.« Sie beugte sich vor. »Ich bin nicht gekommen, um Sie zu verurteilen. Darum geht es mir nicht. Hayden und ich haben schon seit Jahren nicht mehr zusammengelebt. Natürlich hat es auch vorher schon andere Frauen gegeben. Wahrscheinlich Dutzende, auch, als er noch mit mir zusammen war.«
»Warum … warum sind Sie dann gekommen?«
Sie starrte auf ihre Hände und verschränkte sie dann. »Ich glaube, ich wollte einfach sehen, wie Sie so sind.«
»Na, dann viel Spaß. Mein Haar gehört dringend gewaschen, und normalerweise kleide ich mich auch ein wenig besser.«
»Sie sind nicht so, wie ich erwartet habe.«
»Ich weiß nicht, wie Sie das meinen.«
»Ich wollte herausfinden, was aus ihm geworden war, seit er mich und Joe verlassen hatte. Was nicht heißen soll, dass ich eifersüchtig auf Sie bin, ganz und gar nicht. Ich wollte ihn nicht zurück. Ich kann nicht mal sagen, dass ich ihn noch geliebt oder sonst viel für ihn empfunden habe, außer vielleicht Wut, aber selbst die war nicht mehr allzu groß. Durch seinen Tod ist nun alles wieder hochgekommen. Sie haben ihn so gekannt, wie er war, als er starb, während ich ihn eigentlich gar nicht mehr kannte.«
»Ich glaube, Sie machen sich eine falsche Vorstellung davon, wie nah wir uns standen. Es war eigentlich bloß eine Sommeraffäre. Etwas ganz Lockeres.«
»Darin war Hayden gut«, bemerkte sie.
Ich begriff, dass sie gefährlich war: Sie gab mir das Gefühl, als könnte ich ihr alles anvertrauen. Tatsächlich empfand ich einen fast schon überwältigenden Drang, genau das zu tun. Ich versuchte, mich zu beherrschen, und setzte mich aufrechter hin. »Was genau wollen Sie von mir hören?«
»Keine Ahnung. Sie müssen entschuldigen. Wahrscheinlich war es für Sie genauso schlimm wie für mich. Haben Sie ihn sehr gemocht?«
»Er hat mich geschlagen.« Ich war selbst überrascht von meinen Worten. Mein Gesicht glühte vor Scham, und ich fühlte mich total entblößt.
»Sie Arme«, sagte Hannah. Dabei musterte sie mich mit einem Blick, aus dem fast so etwas wie Sehnsucht sprach. In ihren Augen schimmerten Tränen. Ihr Mitleid war mir unangenehm.
»Es ist nur zweimal passiert.«
»Bestimmt haben Sie ihn dafür gehasst«, sagte sie mit leiser, sanfter Stimme.
»Nein, gehasst habe ich ihn nicht«, entgegnete ich, »ich war nur sehr erschrocken.«
»Das hatte mit Ihnen gar nichts zu tun«, erklärte sie. »Es lag an ihm.«
»Als er mit Ihnen zusammen war, hat er Sie da auch …?«
»Nein. Aber ich spürte den Zorn, der bei ihm unter der Oberfläche brodelte. Er konnte wie ein kleiner Junge sein – und das meine ich nicht in einem positiven Sinn. Er hatte Wutanfälle. Wie Joe mit zwei Jahren.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Außerdem war er ein richtiger Unruhestifter, stimmt’s?«
»Wie meinen Sie das?«
»Er genoss es, Zwietracht zu säen – sozusagen die Katze zwischen die Tauben zu setzen und sich dann zurückzulehnen und zu beobachten, was passiert.«
Ich musste an Hayden und die Band denken. Daran, wie geschickt er wunde Punkte berührt und mit blank liegenden Nerven gespielt hatte. »Ja«, gab ich ihr recht.
»Vielleicht hat ihn das letztendlich auch das Leben gekostet.«
»Vielleicht.«
»Die Polizei vermutet, dass Drogen im Spiel waren.«
»Tatsächlich?«
»Das ergäbe
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