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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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sieht? Und dann? Was weiter?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wann kommt Liza zurück?«
    »Erst im September. Aber wir können die Leiche nicht einfach hier liegen lassen, bis Liza sie findet.« Für den Bruchteil einer Sekunde gestattete ich mir, an Verwesung zu denken. Bei der Vorstellung, wie sein Körper sich auflösen und langsam in den Teppich hineinsickern würde, drehte sich mir sofort der Magen um, und ich stieß ein leises Wimmern aus.
    »Was sollen wir also machen?«
    »Ich weiß es doch auch nicht. Mein einziger Gedanke war, die Leiche loszuwerden. Sie irgendwie wegzuschaffen.«
    »Verstehe«, antwortete Sonia in grimmigem Ton und verzog dabei den Mund. Fast sah es aus, als würde sie lächeln. Aber sie lächelte nicht.
    »Deswegen war mir klar, dass ich jemanden brauche. Dich.«
    »Hast du dir hinsichtlich deiner  – oder unserer  – Vorgehensweise sonst gar nichts Konkretes überlegt?«
    »Mein einziger Gedanke war, die Leiche irgendwo zu deponieren, wo sie keiner findet.«
    »Brillanter Plan. Und an welchen Ort hast du dabei gedacht?«
    »Zum Beispiel einen ganz tiefen Wald, wo nie jemand hinkommt.«

    »In Gottes Namen, Bonnie, wir sind hier in England. Es gibt bei uns keine tiefen Wälder, wo nie jemand hinkommt. Und selbst wenn es welche gäbe, wie könntest du  – wie könnten wir  – die Leiche dorthin bringen? Glaub mir, wo immer du sie auch ablegst, wird irgendein Hund samt Herrchen sie aufstöbern. Wenn man in der Zeitung von Leichenfunden liest, läuft es immer aufs Gleiche hinaus: Ein Mann führt seinen Hund spazieren.«
    »Könnten wir ihn nicht irgendwo vergraben?«
    »Wo denn? Da musst du genauso erst mal einen Ort finden, wo du sie ablegen kannst, ohne gesehen zu werden. Und dann gilt es auch noch ein riesiges Loch auszuheben, damit sie nicht wieder von Aasfressern ausgegraben wird. Es hat schon seinen Grund, warum ein Grab knapp zwei Meter tief sein muss. Und egal, wo du buddelst, man wird es lange Zeit sehen. Man kann nicht einfach mal schnell nach Mitternacht nach Hampstead Heath rausfahren.«
    »Wie wär’s mit Verbrennen?«, fragte ich, ohne nachzudenken.
    »So eine Leiche ist keine alte Zeitung.« Sonia machte eine angeekelte Geste. »Der menschliche Körper lässt sich nicht gut verbrennen.«
    »In den Krematorien schaffen sie es doch auch.«
    »Ja«, meinte Sonia, »mit einer industriellen Verbrennungsanlage, die man bis tausend Grad hochfahren kann. Und selbst da wird nicht alles vernichtet. Im Garten hinter dem Haus kannst du das nicht machen.«
    In meinem Kopf blitzte eine schreckliche Erinnerung auf: Als kleines Mädchen hatte ich mal versucht, mein Meerschweinchen einzuäschern. Mir war, als würde ich wieder den Gestank riechen, der damals den kleinen Garten hinter unserem Haus verpestet hatte. Mit einem Gefühl von Übelkeit schlug ich die Hände vors Gesicht.
    »Was dann?«, fragte ich. »Welche Möglichkeit bleibt uns
noch? Wir können die Leiche weder verstecken noch vergraben, noch verbrennen. Du schlägst doch wohl nicht vor, sie in Stücke zu schneiden, oder? Das kann ich nicht, Sonia. Lieber sterbe ich selbst.« Der Gedanke zu sterben und vor all dem die Augen verschließen zu können erschien mir in dem Moment richtig verlockend.
    »Nein, das schlage ich nicht vor«, entgegnete Sonia. »Nachdem ich schon mehrere Tiere seziert habe, ziehe ich diese Möglichkeit gar nicht erst in Betracht.«
    »Trotzdem gibt es Leute, die einfach verschwinden«, erklärte ich, »und deren Leichen nie auftauchen.«
    »Das passiert nicht sehr oft, außer vielleicht in irgendwelchen Filmen. Oder du gehörst zur Mafia und kannst eine Leiche mit Beton zuschütten und anschließend eine Autobahn darauf bauen. Ansonsten geht das nicht so leicht.«
    Ich blickte mich um. Irgendwie funktionierte mein Gehirn nicht richtig, alles schien mir immer wieder zu entgleiten. Die Leiche auf dem Boden nahm mein gesamtes Gesichtsfeld ein. Egal, wohin ich schaute, ich sah immer nur sie.
    »Du hast recht«, erklärte ich, »ich schaffe das nicht. Keine Ahnung, wie ich auch nur auf die Idee kommen konnte. O Gott! Lass uns einfach von hier verschwinden, und zwar so schnell wie möglich.« Mit diesen Worten packte ich sie am Arm.
    Aber Sonia ließ sich nicht so ohne Weiteres von mir aus dem Raum ziehen. »Warte.«
    »Wir verschwinden einfach«, wiederholte ich, »dann ist es, als wärst du nie hier gewesen.«
    Als sie sich nun zu mir umdrehte, drückte ihre Miene Ruhe aus. Ich spürte, dass sie im Begriff

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