Die Komplizin - Roman
war, die Regie zu übernehmen, und ließ sie nur zu gerne gewähren – denn hatte ich mich letztendlich nicht genau deswegen an sie gewandt? Damit sie sich statt meiner dieses schrecklichen Desasters annahm?
»Wir können die Leiche nicht vergraben«, rekapitulierte sie,
»und ebenso wenig können wir sie verbrennen oder einfach irgendwo ablegen. Was bleibt dann noch übrig?«
»Wasser«, antwortete ich. »Manche Menschen werden auf See bestattet, oder? Das sieht man immer in den Kriegsfilmen. Man beschwert sie mit Gewichten und wickelt sie in Segeltuch.«
»Hast du ein Boot?«
»Nein.«
»Aber du kennst jemanden, der eines hat?«
Ich überlegte einen Moment.
»Wahrscheinlich schon«, erwiderte ich, »irgendwelche Freunde von Freunden. Allerdings glaube ich nicht, dass mir jemand von denen eines leiht und mich dann auch noch allein damit aufs Meer hinausfahren lässt. Außerdem … auch wenn ich mich mit Hafenanlagen nicht besonders gut auskenne, nehme ich doch an, dass dort im Sommer ziemlich viel Betrieb herrscht.«
»Es muss ja nicht das Meer sein«, meinte Sonia.
»Was denn sonst?«
»Ich weiß es auch nicht.«
»Keine Ahnung.«
»Ich weiß es noch nicht. Trotzdem ist das die bisher beste Idee. Wasser. Ein See, vielleicht auch ein Stausee oder ein Fluss. Aber als Erstes sollten wir hier in der Wohnung alles auf die Reihe kriegen.« Sie trat neben die Leiche und starrte beinahe leidenschaftslos auf sie hinunter. »Warum sieht so ein toter Körper völlig anders aus als jemand, der einfach nur schläft?«
Ich hatte ihn sowohl schlafend als auch tot gesehen und versuchte krampfhaft, nicht an den Unterschied zu denken.
»Das ganze Blut ist auf dem Läufer«, fuhr Sonia fort, »deswegen müssen wir wohl nicht allzu viel putzen.«
Sie sah aus, als würde sie gerade irgendeine Entscheidung treffen, und verließ den Raum. Ich hörte sie nebenan Schranktüren
öffnen und wieder schließen. Als sie zurückkam, trug sie rosa Spülhandschuhe. Sie warf mir ein Päckchen zu. Es enthielt ein weiteres Paar Handschuhe, in Gelb.
»Zieh sie an.«
Ich riss das Päckchen auf und tat wie mir geheißen. Währenddessen nahm Sonia etwas vom Tisch und betrachtete es einen Moment. Es handelte sich um eine ziemlich abstrakt wirkende Skulptur aus stumpfem grauem Metall, die zwei unterschiedlich große, miteinander verbundene Gestalten darstellte. Wahrscheinlich ein Symbol für Freundschaft oder die Beziehung zwischen Eltern und Kind.
»Indem ich dieses Ding hier aufhebe und anderswo wieder abstelle«, erklärte Sonia, »verändere ich etwas an einem Tatort … auch wenn ich gar nicht genau weiß, welches Verbrechen sich hier abgespielt hat. Ich verändere etwas an einem Tatort und mache mich zur Komplizin, indem ich mithelfe, polizeiliche Ermittlungen zu behindern. So etwas in der Art. Wenn wir auffliegen, wandern wir für Jahre ins Gefängnis und verlieren alles. Bist du dazu wirklich bereit?«
»Die Frage ist: Bist du es? Schließlich habe ich dich in die Sache mit hineingezogen.«
Sonia ging ein paar Schritte durch den Raum, stellte die Skulptur in ein Regal und rückte sie wie eine gewissenhafte Hausfrau noch ein wenig zurecht.
Davor
»Sie meinen das wirklich ernst?«
»Kein Grund, vor Freude auszuflippen, Joakim«, gab ich trocken zurück. »Du wirst dadurch weder reich noch berühmt.«
»Eine echte Profiband.«
»So weit würde ich nicht gehen.«
»Endlich mal bei einem richtigen Auftritt spielen – nicht bloß bei irgendwelchen blöden Schulbällen mit lauter vierzehnjährigen Gören, die alle zu viel Make-up tragen.« Er sagte das so verächtlich, wie es nur ein Achtzehnjähriger kann.
»Es ist eine Hochzeit, nichts weiter. Ich weiß nicht mal, wie viele Leute kommen werden. Und es ist auch nicht deine Art von Musik, Joakim. Eher Country und Blues.«
»Ich stehe total auf Countrymusik«, widersprach er. »Die ist so authentisch. Lucinda Williams. Steve Earle. Teddy Thompson. Wer gehört denn sonst noch zur Band?«
»Bis jetzt haben wir dich als Geiger, einen Mann namens Neal Fenton, der damals eine Weile in der ursprünglichen Band spielte, als Bassgitarristen und Sonia Hurst als Sängerin. Die kennst du natürlich.«
»Sonia Hurst?«
»Ja.«
»Die Chemielehrerin?«
»Genau.«
»Und die singt in Ihrer Band?«
»So ist es.«
»Eine seltsame Vorstellung«, meinte Joakim, »mit Miss Hurst und Miss Graham in einer Band zu spielen.«
»Du hast die Schule inzwischen hinter dir. Am besten, du
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