Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Ausflug ans Meer zu machen  – nur um uns zu beweisen, dass wir das konnten. Dass wir fahren konnten, wohin wir wollten, ohne dass irgendjemand etwas davon mitbekam. Wir hatten jedes Feld und jedes noch so kleine Fleckchen Grün als eine geheime Botschaft an uns gedeutet  – als Zeichen dafür, dass wir London nicht brauchten und uns auch nicht von Pflicht oder Verantwortung vereinnahmen
ließen. Dieses Mal hatte ich ein ganz anderes Gefühl. Die ländliche Gegend war lediglich etwas, das ich möglichst schnell hinter mich bringen wollte. Ich sah Leute Kricket spielen und Traktoren durch die Gegend fahren und hatte langsam das Gefühl, gleich einzunicken. Ich trank rasch eine Tasse miserablen schwarzen Kaffee, um wach zu bleiben.
    Am Bahnhof in Sheffield stieg ich in ein Taxi und las dem Fahrer die Adresse vor, die mir ein Mann, dem ich nie persönlich begegnet war, am Telefon gegeben hatte.
    »Ist das weit?«, fragte ich.
    »Nein, nicht weit.«
    Während der Fahrt starrte ich erneut aus dem Fenster. Schon wieder ein Ort, an dem ich noch nie gewesen war, so dass mir die Geschäfte ebenso wie die Menschen irgendwie fremd und somit auch irgendwie interessant erschienen. Mir war klar, dass sich dieser Reiz des Neuen bereits nach ein, zwei Tagen verlor und im Grunde alles wie in jeder anderen Stadt war. Aber ich würde keine ein, zwei Tage bleiben. Mein Taxi bog aus einer Einkaufsstraße in ein Wohngebiet ab, das leicht erhöht auf einem Hügel lag und von alten Reihenhäusern aus roten Ziegelsteinen geprägt war. Zum Teil sahen die Häuser renoviert aus, zum Teil nicht. Nummer zweiunddreißig  – die Adresse, die auf dem Zettel stand  – gehörte definitiv zum renovierten Teil. Ich stieg aus und zahlte wieder viel mehr, als ich erwartet hatte. Nervös klopfte ich an die Tür. Mein Gott, wäre das nicht dumm, wenn mir nun niemand öffnete? Aber die Tür schwang auf.
    »Miriam Sylvester?«, fragte ich, obwohl ich die Frau, mit der ich mich damals auf der Treppe unterhalten hatte, sofort wiedererkannte, auch wenn sie jetzt Jeans und ein rotes T-Shirt trug und ihr Gesicht, das dank Kajal und Lippenstift so exotisch ausgesehen hatte, völlig ungeschminkt war.
    »Ja.« Sie wirkte ein wenig verblüfft. »Sie müssen die Frau sein, die heute bei uns angerufen hat.«

    »Ja. Ich habe mit einem Mann gesprochen, vermutlich Ihrem … ähm …«
    »Lebensgefährten. Frank.«
    Ihrem Lebensgefährten. Ich musste daran denken, wie heftig sie auf der Treppe mit Hayden geflirtet hatte. Aber so waren alle Frauen in Haydens Gegenwart gewesen. Sie hatten ihn umschwirrt wie Bienen einen Topf Honig.
    »Wir haben uns auf einer Party kennengelernt«, erklärte ich. Sie starrte mich ratlos an. »Sie kannten meinen Namen. Wenn ich mich richtig erinnere, hatten Sie etwas über mich und mein Banjo gehört.« Nun wirkte sie zwar nicht mehr ganz so ratlos, dafür aber noch eine Spur irritierter. Das fing ja schon gut an. Konnte es sein, dass ich hier nur meine Zeit verschwendete? »Ich war mit Hayden Booth dort.«
    »Hayden.« Schlagartig nahm ihre Miene einen extrem betroffenen Ausdruck an. »O mein Gott, Hayden. Ich habe in der Zeitung davon gelesen. Was für eine schreckliche Sache. Anfangs konnte ich gar nicht glauben, dass es sich tatsächlich um ihn handelte. Kommen Sie doch bitte herein.«
    Erst dachte ich, die Tatsache, dass ich extra die ganze Strecke von London hergefahren war, um mit ihr zu reden, könnte sie so sehr befremden, dass sie sich gar nicht zu einem Gespräch bereit erklären würde. Wie sich jedoch sehr schnell herausstellte, war genau das Gegenteil der Fall. Von mir konnte sie die ganze Hayden-Geschichte aus erster Hand erfahren. Nachdem sie mich hereingebeten hatte, ließ sie mich in der Küche Platz nehmen und bot mir etwas zu essen an. Als ich ablehnte, schenkte sie mir eine Tasse Kaffee nach der anderen ein. Eigentlich war es für mich eine Horrorvorstellung, von einer Frau, die ich eigentlich nicht kannte, bis ins letzte Detail über Haydens Tod und die polizeilichen Ermittlungen ausgefragt zu werden. Trotzdem hielt ich es für klüger, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Über eine Stunde beantwortete ich all ihre Fragen und hörte mir geduldig an,
wie schockiert sie war. Je mehr ich auf sie einging, umso entgegenkommender würde sie hinterher sein. Zumindest hoffte ich das.
    Als ihr schließlich keine Fragen mehr einfielen, erzählte sie mir noch des Langen und Breiten vom Tod eines anderen Bekannten.

Weitere Kostenlose Bücher