Die Komplizin - Roman
bisschen vor meiner Zeit.«
»Kommen Sie doch mit rüber ins Wohnzimmer. Ja, ja, die alten Geschichten. Wir nannten uns Sick Joke. Wissen Sie, ich träumte damals von einem Plattenvertrag und einer Tournee und … tja, wahrscheinlich erzähle ich Ihnen besser nicht, wovon ich noch so träumte. Aber ein Haus wie dieses erarbeitet man sich nicht als Drummer einer Postpunkband.«
Ich betrachtete die Teppiche, die riesige Couchgarnitur und die geschmackvollen abstrakten Gemälde an den Wänden.
»Nein, vermutlich nicht.«
»Joakim ist wie ich«, fuhr er fort, »er träumt ebenfalls von einer Karriere als Musiker.«
»Er ist gut«, antwortete ich, »aber ich glaube, das habe ich Ihnen schon beim Elternabend gesagt. Wenn Sie halb so gut sind wie er, passen Sie wunderbar zu uns.«
Guy nahm einen Schluck von seinem Bier.
»Ich schätze mal, ich bin ein bisschen besser als halb so gut. Sie brauchen einen Schlagzeuger?«
»So ist es.«
»Und es würde Sie nicht stören, Vater und Sohn in der Gruppe zu haben?«
»Wenn das für Sie beide in Ordnung ist.«
»Sie wollen nicht, dass ich erst mal vorspiele?«
»Ich verlasse mich da ganz auf Joakim. Und natürlich auch auf Sie.«
»Ich habe mein eigenes Schlagzeug.«
»Umso besser.«
Er nahm einen weiteren Schluck und musterte mich währenddessen prüfend.
»Wie gesagt träumt Joakim von einer Karriere als Musiker, genau wie ich damals. Das ist natürlich lächerlich.«
Ich gab ihm keine Antwort.
»Sind Sie nicht auch dieser Meinung?«
»Ich bin Musiklehrerin«, erwiderte ich. »Da werden Sie doch nicht von mir erwarten, dass ich es als Hirngespinst abtue, wenn jemand seinen Lebensunterhalt mit Musik verdienen möchte.«
»Ich glaube nicht, dass Joakim vorhat, Lehrer zu werden.« Guys Ton nach zu urteilen, fand er diese Vorstellung fast noch schlimmer als Joakims Traum von einer Karriere als Musiker. »Er möchte live spielen. Wie denken Sie darüber?«
»Was erwarten Sie jetzt von mir? Er ist richtig gut, einer der besten Schüler, die ich je unterrichtet habe.«
»Er bewundert und respektiert Sie. Jetzt, nachdem er sein Examen abgelegt hat, gönne ich ihm natürlich den Spaß, in seiner Freizeit ein bisschen zu spielen. Trotzdem wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mit ihm mal über die harte Realität des Musikerberufs sprechen würden.«
»Es geht hier lediglich um einen einmaligen Auftritt auf der Hochzeit einer meiner Freundinnen. Wir planen keine Amerikatournee.«
»Nur für den Fall, dass er Sie fragen sollte.«
»Berufsberatung gehört eigentlich nicht zu meinen Aufgaben. Aber keine Angst, wir sind ein ziemlich wild zusammengewürfelter Haufen. Ich sehe da keine große Gefahr, dass wir Joakim mit unserem glamourösen Rock ’n’ Roll-Lebensstil in Versuchung führen. Außerdem werden Sie ja auch dabei sein und können selbst ein Auge auf ihn haben. Ist das der Grund, warum Sie mitmachen wollen?«
»Ganz und gar nicht«, entgegnete Guy. »Ich spiele schon viel zu lange nur zu Led-Zep-Platten. Es wird mir guttun, endlich mal wieder mit echten Menschen Musik zu machen.«
Danach
Ich schlich mich wieder hinaus auf die Straße. Mittlerweile war es dunkel, abgesehen von den paar funkelnden Sternen am Himmel und dem allgegenwärtigen, fahl orangegelben Leuchten Londons. In der Wohnung im oberen Stockwerk brannte kein Licht, doch der junge Mann konnte jeden Moment zurückkommen. Der bloße Gedanke daran ließ mein Herz rasen. Schlagartig verwandelten sich die Schatten auf der Straße in geduckte Gestalten, die mich beobachteten. Ich beeilte mich, alle nötigen Vorkehrungen zu treffen, indem ich den Wagen aufsperrte und den Kofferraum öffnete, ehe ich in die Wohnung zurückkehrte.
»Die Luft ist rein«, teilte ich Sonia mit.
Ohne weitere Worte gingen wir neben ihm in die Knie. Ich packte seine Füße, Sonia die Schultern.
»Eins, zwei, drei und… «, flüsterte sie.
Mit vereinten Kräften gelang es uns, ihn ein paar Zentimeter hochzuheben. Während sein schlaffer Körper zwischen uns hing, rutschte ein Arm aus der Teppichrolle. Ich konnte einen leisen Aufschrei nicht unterdrücken.
»Er ist so schwer«, jammerte ich.
»Lass ihn uns einfach ziehen«, schlug Sonia vor, »zumindest bis zur Haustür.«
Mühsam zerrten wir ihn über den Boden. Der Läufer, in den er eingewickelt war, blieb immer wieder auf dem Teppich hängen, so dass wir ein paarmal unsere ganze Kraft zusammennehmen mussten, um ihn erneut hochzuhieven und ein Stück zu tragen. Als wir
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