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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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schließlich die blanken Holzdielen erreichten, ließ er sich leichter ziehen. Trotzdem spürte ich einen stechenden Schmerz in den Rippen. Gleichzeitig dröhnte mir der Kopf, und mein ganzer Körper war schweißnass. Neben mir hörte ich Sonia leise keuchen.

    Endlich hatten wir die Haustür erreicht. Vorsichtig schob ich sie auf und trat nach draußen. Die Straße wirkte menschenleer. Noch immer schaukelte das Werkstattschild leicht im Wind. Ich nickte Sonia zu.
    Wir hoben die Leiche ein weinig an. Erneut klaffte der Läufer auseinander, so dass eine Hand über den Boden schleifte. Es war noch nicht lange her, da hatten seine warmen, starken Hände mein Gesicht gestreichelt, sich um mein Kinn gelegt. Ich versuchte, den Gedanken daran sofort wieder zu verdrängen. In dem Moment stolperte ich und konnte ihn nicht mehr richtig halten, so dass er unsanft auf dem Asphalt landete. Ich stieß einen Schrei aus, als hätten wir ihm wehgetan.
    »Tut mir leid!«, wimmerte ich.
    »Jetzt sind es nur noch ein paar Meter.«
    Gebückt schleppten wir ihn das letzte Stück bis zum Wagen. Wortlos, aber vor Anstrengung keuchend, hievten wir unser Bündel wieder höher. Der Läufer rutschte immer weiter herunter, so dass ich schon sein Haar sehen konnte. Weiches Haar. Unglücklicherweise war er zu groß für den kleinen Kofferraum. Wir mussten schieben  – die Leiche, seinen Körper, ihn, den Mann, den ich … was? Den ich geliebt hatte? Nein, es sei denn, Liebe ist gewalttätig, hoffnungslos und dunkel, so dass der Anfang schon das Ende beinhaltet. Wir mussten seinen Körper schieben und drehen, bis er schließlich doch irgendwie hineinpasste. Als wäre er ein Ding  – aber das war er ja auch. Er war tot. Nichts war mehr übrig, außer Erinnerung und Verlust. Ich hörte, wie sein Kopf auf das Metall des Wagens traf. Mittlerweile klebte mir das Shirt klatschnass am Rücken, und das Atmen schmerzte. Sonia richtete sich auf und schloss den Kofferraum. In der Dunkelheit wirkte ihr Gesicht fast weiß.
     
    Schweigend fuhren wir dahin. Ich saß am Steuer, während Sonia den Straßenatlas studierte, den wir im Wagen gefunden
hatten, und mir hin und wieder knappe Anweisungen erteilte. Mehrmals sahen wir einen Streifenwagen aus irgendeiner Seitenstraße auf uns zukommen oder hinter einer Ecke parken. Blaulicht blitzte, Sirenen heulten durch die Nacht. Im Rückspiegel sah ich Augen, die mir nachschauten. Ich setzte mich aufrechter hin und versuchte, mich ganz auf die Straße zu konzentrieren, aber unsere schreckliche Fracht ging mir nicht aus dem Kopf. Der Wagen kam mir vor wie ein Sarg, ein kleiner Blechsarg. Allmählich ließen wir London hinter uns, bis das Licht unserer Scheinwerfer schließlich auf Hecken, Felder und Bäume fiel und dann auf einen schmalen, asphaltierten Weg. Das Tor war geschlossen. Einen Augenblick waren wir nahe daran aufzugeben. Zumindest ich war es. Verzweifelt ließ ich den Kopf auf das Lenkrad sinken und sagte immer wieder: »Es ist vorbei, es ist alles aus!« Sonia dagegen blieb ganz ruhig. Nachdem sie erneut die Karte studiert hatte, dirigierte sie mich auf die andere Seite, wo es eine weitere Zufahrt gab. Vor uns glitzerte das schwarze Wasser des Stausees. An seinem Ufer hörte man das Klappern und Klimpern einer langen Reihe von Segelbooten in den kurzen Atemzügen des Windes.

Davor
    »Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist«, sagte ich zu Amos.
    Wir saßen draußen vor einem jener Londoner Pubs, die früher verrauchte, nach abgestandenem Bier stinkende Spelunken gewesen waren, sich mittlerweile aber neu erfunden hatten und nun als Gastropubs so Gerichte wie gebratene Jakobsmuscheln auf einem Bett aus Linsen servierten, oder den Salat aus pochierten Birnen mit Blauschimmelkäse, den ich mir gerade gönnte. Amos verspeiste ein Steaksandwich. Die Sonne strahlte von einem wolkenlos blauen Himmel. Wir hatten das
schon so viele Male getan  – draußen vor einem Pub gesessen, uns unterhalten, Pläne geschmiedet.
    »Warum nicht?«
    »Weil…« Ich machte eine vage Handbewegung. Wenn er es nicht selbst wusste, würde ich es ihm bestimmt nicht sagen.
    »Du meinst, weil wir mal liiert waren und jetzt getrennt sind?«
    »Wir waren nicht liiert. Wir haben zusammengelebt, und zwar mehrere Jahre lang.«
    Er sah mich an. Ich konnte seinen Blick nicht so recht deuten, er lag irgendwo zwischen prüfend und flehend.
    »Das hat Spaß gemacht, stimmt’s?«
    »Spaß? Du meinst, unser Zusammenleben?«
    »Wir hatten

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