Die Komplizin - Roman
doch eine Menge Spaß.«
»Ja, manchmal«, räumte ich ein. Spaß, Stress, Tränen, Trauer und dann eine langsame, deprimierende Trennung, die sich monatelang hinzog, weil keiner von uns beiden zugeben wollte, dass es aus war – dass unsere Beziehung, die euphorisch begonnen hatte, nicht mehr zu retten war, sondern unwiederbringlich vorbei. Ich betrachtete ihn verstohlen. Amos war dünn, hatte dunkle, stechende Augen, eine Hakennase und einen dichten, dunklen Haarschopf. Früher, als ich ihn noch liebte, sagte ich immer zu ihm, er sehe aus wie Bob Dylan um 1966.
»Wir sind trotzdem noch Freunde, oder etwa nicht?« Er klang wie ein kleiner Junge.
»Ganz so einfach ist das nicht.«
»Das hängt ganz von uns ab.« Er griff nach meiner Hand, doch ich entzog sie ihm sofort wieder. »Wer spielt denn sonst noch mit?«, wechselte er das Thema.
»Neal – weißt du noch? Ein Junge aus gutem Haus, mit einem reichen Vater. Du brauchst gar nicht so ein Gesicht zu ziehen. Ach ja, und Sonia«, fügte ich hinzu, als wäre sie mir gerade erst eingefallen.
»Sonia?«
»Ja. Sie wird singen.«
»Ich kann mir genau vorstellen, wie ihre Stimme klingt«, meinte er. »Schön samtig.«
»Hmm. Ich verstehe nicht so ganz, warum du so scharf darauf bist, in dieser Band mitzuspielen, Amos.«
Er zuckte mit den Achseln. »Das wird bestimmt lustig. Außerdem hänge ich gerade ein bisschen durch.«
»Du hast also keine Urlaubspläne?«
»Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, meine Hypothek abzubezahlen, da ist ein Urlaub dieses Jahr nicht drin«, antwortete er, »und nächstes Jahr auch nicht.«
Zehn Monate zuvor hatten Amos und ich uns zusammen eine Wohnung gekauft. Sie lag in einer Nebenstraße der Finchley Road und war ausgesprochen hübsch, mit großen Räumen, großen Fenstern, weiten weißen Wandflächen und einem Balkon mit Platz für Pflanzen. An einem herrlichen Herbsttag Ende September waren wir eingezogen. Ich weiß noch genau, wie wir damals in einem der noch völlig kahlen, hallenden Räume auf dem Teppichboden lagen, händchenhaltend zur frisch gestrichenen Decke hinaufblickten und beide vor Glück und Staunen kichern mussten, weil wir inzwischen so reif und erwachsen waren und so richtig als Paar zusammen. Kennengelernt hatten wir uns nämlich als junge, ungebundene Studenten, die noch keinen Penny besaßen. Als ich ihn schließlich verließ – oder er mich oder wir uns gegenseitig, was der Wahrheit wahrscheinlich am nächsten kam –, musste er mir meinen Anteil ausbezahlen, und ich verwendete das Geld als Anzahlung für mein tristes Loch in Camden.
»Es steht dir ja jederzeit frei, die Wohnung zu verkaufen«, entgegnete ich ohne großes Mitgefühl. »Aber wenn du willst, kannst du natürlich gerne unseren Gitarristen machen.«
»Es wird so sein wie in den guten alten Tagen.«
»Ganz bestimmt nicht.«
In dem Moment kam eine untersetzte Gestalt auf uns zu.
»Bonnie?«
Ich starrte ihn perplex an. Das Gesicht kam mir bekannt vor, aber ich wusste nicht recht, woher.
»Du erinnerst dich nicht, oder? Frank. Wir haben vor Jahren mal gemeinsam Musik studiert.«
»Tut mir leid. Du weißt ja, wie das ist, wenn man jemanden von früher plötzlich ganz woanders trifft.«
Er ließ sich neben uns auf einen Stuhl sinken.
»Ich hätte dich überall wiedererkannt«, meinte er, »du siehst immer noch aus wie ein junges Mädchen.«
»Danke.«
»Was treibst du denn inzwischen so?«
»Ich unterrichte Musik an einer Schule hier ganz in der Nähe.«
Er rümpfte mitleidig die Nase.
»Du bist Lehrerin ?«
»Ja.« Ich bedachte ihn mit einem Blick, der keinen Zweifel daran ließ, was ich von ihm hielt. Am liebsten wäre es mir gewesen, er wäre gleich wieder verschwunden.
»Aber sie hat eine Band«, mischte Amos sich ein.
»Ich habe keine Band!«
»Eine Band? Was für eine Band? Wie heißt sie?«
»Ich habe keine Band, und es gibt auch keinen Bandnamen. Ich stelle bloß gerade ein paar Leute für einen einmaligen Auftritt zusammen, für die Hochzeit einer Freundin.«
»Ich mache als Gitarrist mit«, erklärte Amos.
»Also was ganz Laienhaftes«, sagte Frank verächtlich. »Ich dachte, es wäre eine ernste Sache.«
»Was ist so toll an ernsten Sachen?«, meldete sich hinter meinem Rücken eine Stimme zu Wort. Ich drehte mich um. Vor mir stand ein großer Mann mit weichem braunem Haar, das ihm wie ein kleiner Flügel in die Stirn fiel. Er hatte graue Augen mit vielen Lachfältchen, grinste so breit,
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