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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Geige zurückgab, »nun brauchst du nur noch loszulassen.«
    Amos lächelte ebenfalls. Aber nicht mit den Augen.

Danach
    Schweigend fuhren wir nach Stansted. Es war drei Uhr nachts, und es herrschte praktisch kein Verkehr mehr auf den Straßen. Jedes Mal, wenn ich im Rückspiegel Scheinwerfer entdeckte, bekam ich einen trockenen Mund und Herzrasen, weil ich dachte, es sei die Polizei. So ähnlich musste sich ein Verbrecher fühlen, ging mir durch den Kopf. Aber natürlich war
ich inzwischen eine Verbrecherin. Während der letzten paar Stunden hatte ich eine Grenze überschritten und befand mich nun in einer anderen Welt.
    Irgendwann befahl mir Sonia, vor einer Häuserreihe haltzumachen. Sie stieg aus und warf die Plastiktüte mit dem ganzen Zeug, das ich in der Wohnung eingesammelt hatte, in eine Mülltonne, die auf dem Gehsteig zur Leerung bereitstand. Nachdem sie die Tüte tief in der Tonne versenkt hatte, wischte sie sich an ihrer Hose die Hände sauber und stieg wieder ein. Ich fuhr weiter. Später blieben wir erneut bei einer Mülltonne stehen und entsorgten den Läufer.
    »Halt«, sagte Sonia plötzlich, als wir den Flughafen erreichten und einem Schild in Richtung Langzeitparkplatz folgten. Ich fuhr seitlich ran.
    »Was ist?«
    »An der Schranke sind Kameras. Wenn man den Parkschein löst, starrt man direkt in eine hinein.«
    »Dann können wir den Wagen dort nicht abstellen.«
    »Doch, das können wir.« Sie öffnete das Handschuhfach und fischte eine Sonnenbrille heraus. »Setz die auf.«
    »Aber…«
    »Und jetzt deinen Schal. Binde ihn dir um. Nein, lass mich das machen!« Sie wand ihn mir eng um den Kopf und hätte mich beim Verknoten der Enden beinahe stranguliert. »Jetzt erkennt dich keiner mehr.«
    »Was ist mit dir?«
    »Ich leg mich auf den Boden. Moment.«
    Nachdem sie hinter den Sitzen in Deckung gegangen war, steuerte ich den Parkplatz an. Ich löste das Ticket, die Schranke ging hoch, und ein Schild wies mir den Weg zur Zone G.
    »Warte mal«, rief Sonia plötzlich, »warte!«
    »Was ist?«
    »Fahr seitlich ran. Wie blöd von uns. Die Kameras sind
nicht nur am Eingang  – sondern überall. Wir haben uns das nicht genau genug überlegt. Ich muss verrückt gewesen sein.«
    »Was schlägst du vor?«
    »Im Zug sind auch welche«, fuhr sie fort, ohne auf meine Frage zu reagieren. »Wir können also nicht mit dem Zug nach London zurückfahren. Wir hätten niemals herkommen dürfen.«
    »Aber nun sind wir hier. Möchtest du, dass ich umkehre?«
    »Ich weiß es ja auch nicht.« Zum ersten Mal an diesem Abend wirkte sie verwirrt. »Was meinst denn du?«
    »Du willst meine Meinung hören?«
    »Ja, sonst würde ich doch nicht fragen.«
    »Wo sind die Kameras?«
    »Überall! In den Shuttlebussen … oder sind da keine? Ich kann mich nicht erinnern, aber ich schätze schon. Natürlich am Flughafen selbst. Am Bahnhof auch. Und in den Zügen. Wohin wir auch gehen, wird man uns fotografieren.«
    »Oje«, sagte ich. Mein Gehirn arbeitete nur ganz langsam. Während ich mit beiden Händen krampfhaft das Lenkrad umklammerte, starrte ich auf die Reihen von schimmernden, leeren Wagen, die sich in alle Richtungen erstreckten. »Wie wäre es denn, wenn du hier aussteigst und ich allein weiterfahre? Ich stelle den Wagen in Zone G ab, und dann…« Ich verstummte.
    »Ja?«, zischte Sonia von unten herauf. »Und dann was?«
    »Dann können wir uns am Taxistand treffen.«
    »Am Taxistand?«
    »Wenn ich mit Sonnenbrille und Schal den Wagen abstelle und du schon mal im Shuttlebus vorausfährst, kann ich ein bisschen später nachkommen, und wir können uns gemeinsam ein Taxi nehmen. Auf diese Weise wird uns niemand mit dem Wagen in Verbindung bringen.«
    Sie gab mir keine Antwort.
    »Sonia?«

    »Ich denke nach.«
    »Wir können nicht ewig hier sitzen bleiben.«
    »Wir trennen uns also und treffen uns dann wieder?«
    »Ja, am Taxistand vor dem Flughafen.
    »Einverstanden.«
    »Also los!«
    »Moment mal  – ich hab nicht genug Geld für ein Taxi.«
    »Wir bitten einfach den Fahrer, vor meiner Wohnung zu warten, bis ich meine Karte geholt habe. Dann kann er uns zu einem Geldautomaten fahren, und ich hebe die Summe ab.«
    »So machen wir es.«
    »Das heißt, falls ich noch genug auf dem Konto habe.«
    »Und wenn nicht?«
    »Bestimmt reicht es«, antwortete ich, selbst nicht so ganz überzeugt.
    Sobald wir Zone G erreicht hatten, stieg Sonia aus. Im Rückspiegel sah ich sie schnellen Schrittes auf die Haltestelle des

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