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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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damit machen? Mit steifen Fingern löste ich den Wohnungsschlüssel und schob ihn auf meinen eigenen Ring. Den Wagenschlüssel behielt ich in der Hand und spielte nachdenklich damit herum. Ich hatte bereits den Mülleimer geöffnet, als ich es mir anders überlegte und den Blick durch die Küche schweifen ließ. Sollte ich ihn einfach in eine von den großen Tassen legen? Nein, da konnte ihn jeder finden. Andere Möglichkeiten waren die Brotdose, die Teekanne, die leere Keksdose, der Porzellankrug, den ich als Blumenvase verwendete, oder die Schublade voller alter Broschüren. Am Ende versenkte ich ihn tief in der Zuckerdose. Dann ging ich ins Bad, wo die Fliesen, die ich bereits von der Wand gelöst hatte, in einem Stapel neben der Wanne lagen, und schälte mich aus meinen Klamotten. Am liebsten hätte ich mich auch gleich aus meiner Haut geschält. Rasch trat ich unter die Dusche und drehte das Wasser auf, das anfangs siedend heiß, nach einer Weile aber nur noch lauwarm kam. Nachdem ich mir zweimal die Haare gewaschen hatte, schrubbte ich mich von oben bis unten ab. Nur den Hals ließ ich aus. Als ich hinterher den beschlagenen Spiegel abwischte, sah ich, dass sich mein Bluterguss immer weiter ausbreitete, wie ein feuchter Fleck.
    Mir wurde bewusst, dass mir vor Hunger schon ganz flau im Magen war, doch allein schon der Gedanke an etwas Essbares verursachte mir einen starken Brechreiz. Noch immer in mein Handtuch gehüllt, kroch ich in mein Bett, wo ich mir die
Decke bis über den Kopf zog, weil mich die herabhängenden Streifen der Tapete plötzlich an Hautfetzen erinnerten. Den Bildern in meinem Kopf aber konnte ich nicht Einhalt gebieten. Seine Augen, sein Mund, seine Hände, die sich mir entgegenstreckten, sein lebloser Körper, der wie ein toter Fisch im Boot lag, sein starrer Blick, seine im Wasser versinkende Leiche. Das Telefon klingelte, und ich hörte jemanden eine Nachricht hinterlassen. Sally. Ich musste sie so bald wie möglich zurückrufen. Als Nächstes rief meine Mutter an, dann Sonia. Mein Handy summte. Ich hörte eine Textmeldung nach der andern eintreffen. Stunden vergingen. Vielleicht schlief ich auch ein. Vielleicht träumte ich, dass nichts von all dem wirklich passiert war, doch als ich wieder aufwachte, wusste ich sofort, dass es Realität war.

Davor
    Er hielt mir bloß die Tür auf. Mein Besuch schien ihn nicht im Geringsten zu überraschen. Ich trat über einen Stapel ungeöffneter Briefe in eine kleine, stickige Wohnküche, in der überall Klamotten, Bücher, Notenblätter, leere Flaschen und umgekippte Tassen herumlagen. Auf dem kleinen Tisch stand eine Pfanne mit angebranntem Reis. Er griff danach und betrachtete sie, als sähe er sie zum ersten Mal.
    »Lass dich durch das Durcheinander nicht irritieren«, erklärte Hayden, während er die Pfanne auf einem Stuhl abstellte.
    »Keine Sorge. Wie lange wohnst du denn schon hier?«
    »Erst seit einer Woche oder so. Die Wohnung gehört einem Freund. Vielleicht hat er sie auch nur gemietet, keine Ahnung. Ich bin auf der Suche nach einer längerfristigen Bleibe. Bier?«
    »Warum nicht.«

    Er öffnete eine Dose und wartete, bis der Schaum sich in das Loch verzogen hatte, ehe er sie mir reichte. Ich nahm einen Schluck. Eigentlich fühlte ich mich von dem Wein, den ich mit Neal getrunken hatte, und Sonias Pimm’s schon leicht benebelt. Hayden dagegen wirkte stocknüchtern, obwohl ich wusste, wie viel er getrunken hatte. Mit einer Bierdose für sich selbst ließ er sich in einen durchhängenden Sessel fallen, zog Schuhe und Socken aus und wackelte erst mal genüsslich mit den Zehen.
    »So ist es schon besser.« Ich beobachtete, wie er fast den ganzen Doseninhalt auf einmal hinunterkippte. »Ich könnte uns was zu essen machen«, verkündete er dann. »Oder noch besser, du machst uns was. Vielleicht hat Leo was zum Braten im Kühlschrank dagelassen.«
    »Ich hab’s nicht so mit dem Kochen«, erklärte ich, während ich mich ihm gegenüber auf dem Sofa niederließ.
    »Tatsächlich?«
    »Tatsächlich.«
    »Warum nicht?«
    »Kochst du dir denn oft was?«
    »Nur ganz selten.«
    »Na, siehst du.«
    »Aber ich esse gern, was andere Leute kochen.«
    Das stimmte. Er verschlang alles, was man ihm anbot, als hätte er ständig Hunger und könnte nie genug bekommen.
    »Ich bin hier, weil ich eine Bitte an dich habe.«
    »Lass mich raten. Du möchtest, dass ich netter zu diesem Typen bin. Wie heißt er noch mal?«
    »Amos.« Ich war mir sicher, dass er

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