Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
von bestimmten Tischen mit Gelächter quittiert wurden. Als sie schließlich ein paar von ihren eigenen Songs zum Besten gaben, fiel mir auf, dass Ralph nicht ganz so gut war wie die anderen zwei. Bedeutete das, dass er nur ein Ersatzmann war? Oder vielleicht ein Gründungsmitglied der Band, das Hayden nicht so einfach hinauswerfen konnte? Rein optisch machte er auf der Bühne durchaus eine gute Figur. Ich konnte mir die drei problemlos auf einem Poster vorstellen.
    Die meiste Zeit aber genoss ich einfach nur Haydens Anblick. Wenn man ihn in einer normalen Umgebung erlebte, wirkte er meist ein wenig zu schlaksig und zerzaust. Hier auf der Bühne aber besaß er eine seltsame, faszinierende Ausstrahlung. Er hielt seine Gitarre, als wollte er sie umarmen, während er mit seinen langen Fingern ihre Saiten liebkoste. Genau wie der Rest des Publikums starrte ich gebannt zu ihm hinauf. Allmählich aber drang noch etwas anderes in mein Bewusstsein.
    Vor vielen, vielen Jahren, als ich noch ein Teenager war, hatte ich mal eine Weile Tennis gespielt und sogar Trainerstunden genommen. Besagter Trainer war damals Mitte zwanzig, über eins achtzig groß und hatte langes Haar. Natürlich schwärmte ich für ihn. Er war der Trainer eines kleinen Klubs in meiner Gegend, und eines Tages bekam ich mit, dass er an
einem Match gegen einen andern Klub teilnehmen würde. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen er während unseres Trainings eine richtige Vorhand spielte, zischte der Ball jedes Mal im Abstand von höchstens einem Millimeter über das Netz, und ich hatte das Gefühl, in meinem ganzen Leben noch nie etwas derart Überwältigendes, Erotisches gesehen zu haben. Deswegen ging ich zu diesem Spiel, um ihn in Aktion zu erleben, machte dabei aber eine sehr merkwürdige Entdeckung. Plötzlich sah ich ihn da mit vollem Einsatz spielen, doch obwohl er tolle Aufschläge hinbekam und oft bis ganz vor ans Netz sprintete, verlor er das Spiel. Er trug die Niederlage mit Fassung und benahm sich auch keineswegs daneben. Weder schleuderte er seinen Schläger durch die Gegend, noch diskutierte er mit dem Schiedsrichter, noch weigerte er sich am Ende, seinem Gegner die Hand zu geben. Was allerdings nichts an der Tatsache änderte, dass er verloren hatte. Mit meinen dreizehn oder vierzehn Jahren begriff ich plötzlich, dass mein Trainer zwar gut war, aber nicht erstklassig, und dass sein Gegner etwas besser spielte als er, seinerseits aber ebenfalls noch nicht in die oberste Liga gehörte.
    Ich nehme an, mit der Musik verhält es sich etwas anders. Trotzdem hatte ich nach dem siebten oder achten Song ein ähnliches Gefühl. Hayden war sehr gut, viel besser als Neal und Welten besser als Amos. Vielleicht war er sogar noch besser als »sehr gut«. Er spielte hervorragend Gitarre und hatte eine faszinierende, rauchige Stimme, die an manchen Stellen wirklich wundervoll klang. Es war auch keineswegs so, dass sich genau benennen ließ, was eigentlich fehlte. Obwohl er als Musiker definitiv besser war als mein damaliger Trainer als Tennisspieler, würde er es trotzdem nicht nach Wimbledon schaffen. Es ging dabei nicht ums Gewinnen. Musikalische Leistungen ließen sich nicht mit sportlichen Erfolgen vergleichen. Entscheidend war vielmehr jenes unvorhersehbare Element, das einen umhaut wie ein Magenschwinger oder dafür
sorgt, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen  – oder wo auch immer die Musik ansetzt, wenn sie das menschliche Gehirn umgeht und einem etwas gibt, das man sich vorher nie hätte vorstellen können. Wenn sie auf diese besondere Weise wirkt, liefert sie einem die Antwort auf eine Frage, die man sich ansonsten niemals gestellt hätte. Doch genau das würde Hayden nicht schaffen, auch wenn ihm dazu nur ein ganz kleines Quäntchen fehlte. Und wenn schon? Er war gut. Reichte das denn nicht?
    Der Auftritt dauerte gut eine Stunde. Als Zugabe spielten sie einen Song, den etliche Leute im Publikum bereits zu kennen schienen. Während sie ihn zum Besten gaben, hielt ich nach dem Wildledermann Ausschau, doch der war nicht mehr da. Dann endete der Song. Das Konzert war zu Ende, der Bann gebrochen und die Bühne keine Bühne mehr, sondern nur noch eine leicht erhöhte, mit irgendeinem Teppich ausgelegte Plattform. Hayden wurde sofort von einer Gruppe von Leuten umringt, die ihm auf den Rücken klopften oder ihn umarmten. Eine hochgewachsene junge Frau küsste ihn auf den Mund.
    Es dauerte eine Ewigkeit, sie alle loszuwerden, doch am Ende

Weitere Kostenlose Bücher