Die Komplizin - Roman
und meinen müden Körper strömen. Als ich im Bademantel zurück ins Wohnzimmer kam, war Hayden fest eingeschlafen. Aus seinem offenen Mund drang leises Schnarchen. Er wirkte nun wieder ganz friedlich. Ich betrachtete ihn lange Zeit, kann aber noch immer nicht sagen, was ich dabei dachte oder fühlte. Ich kam mir vor wie unter Wasser, als würde ich mich durch ein mir fremdes Element bewegen – weit entfernt von der Welt, die ich kannte. Schließlich ging ich in mein Schlafzimmer, zog meinen Schlafsack aus dem Schrank und breitete ihn, nachdem ich den Reißverschluss geöffnet hatte, über den
schlafenden Hayden. Wobei ich mich eigens noch vergewisserte, dass der Reißverschluss nicht gegen seine Haut drückte. Dann kehrte ich in mein Zimmer zurück und zog die Tür hinter mir zu, ehe ich in mein weiß gestrichenes Bett kroch. Mein Gesicht pulsierte, und ich fühlte mich fix und fertig. Trotzdem schreckte ich in dieser Nacht mehrfach hoch und hatte jedes Mal Schwierigkeiten, wieder einzuschlafen. Ich musste an Hayden denken, der auf der anderen Seite der Wand schlief wie ein hilfloses Baby. Am frühen Morgen ging ich dann zu ihm und nahm ihn in den Arm, um ihn zu trösten, weil er mir wehgetan hatte.
Danach
»Du bist aber nicht passend angezogen, Bonnie. Man kann eine Küche doch nicht im Schlafanzug renovieren.«
Ich hatte völlig vergessen, dass Sally an diesem Morgen kommen wollte, um mir zu helfen. Sie selbst trug genau die richtige Kleidung: eine alte Jeans mit aufgerissenen Knien und ein übergroßes T-Shirt mit einem Bärenmotiv auf der Brust. Das Haar hatte sie sich mit einem Schal zurückgebunden.
»Ich ziehe mich gleich an«, erklärte ich, krampfhaft darum bemüht, mir nicht anmerken zu lassen, wie wenig erfreut ich über ihr Erscheinen war, »aber erst gibt es Kaffee. Du magst doch eine Tasse, oder?«
»Ja, gerne. Ich bin so müde, dass ich im Stehen einschlafen könnte.«
»Hält Lola dich nachts wieder auf Trab?«
»Unter anderem. Du weißt ja, wie es ist, wenn man im Bett liegt und einem alles Mögliche im Kopf herumschwirrt.«
»Allerdings«, bestätigte ich. »Was bereitet dir denn Kopfzerbrechen?«
»Ach, das Leben im Allgemeinen«, antwortete sie ausweichend,
»die üblichen Panikattacken in den frühen Morgenstunden.«
Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich sie ermutigt, mir Einzelheiten zu erzählen, doch an diesem Morgen war ich dazu einfach nicht in der Lage.
»Kümmert sich heute Richard um Lola?«
»Von wegen!«, entgegnete Sally. »Meine Mum passt ein paar Stunden auf sie auf. So hat sie wenigstens mal Gelegenheit, ihre Enkeltochter ein bisschen kennenzulernen. Es ist das erste Mal, dass sie wirklich Zeit mit ihr verbringt.«
»Da solltest du es dir eigentlich richtig gut gehen lassen, dir eine Ausstellung ansehen, irgendwo schön Kaffee trinken. Ich meine, in einem richtigen Café, statt hier bei mir zu schuften.«
»Ganz im Gegenteil, Bonnie. Das ist heute genau das Richtige für mich. Endlich kann ich mal wieder einen Vormittag wie ein ganz normaler Mensch verbringen, ohne dass ich Lola füttern oder in den Schlaf lullen muss. Zu Hause komme ich nie zur Ruhe, auch wenn sie endlich schläft, weil ich mich dann ständig über sie beugen muss, um sicherzugehen, dass sie noch atmet. Habe ich dir erzählt, dass ich das immer noch mache?«
»Nein, hast du nicht.«
»Kein Mensch hat mich je vor der Mutterschaft gewarnt. Man hört jede Menge über die Schrecken der Entbindung, aber keiner sagt einem, wie es ist, sein Baby so sehr zu lieben, dass man sich freiwillig zu seinem Sklaven macht. Deswegen ist das heute eine richtige Wohltat für mich. Einfach nur normal zu sein. Ich mache jetzt Kaffee für uns, und du ziehst dich an.«
Während ich einen großen Müllsack nach irgendwelchen alten Klamotten durchwühlte, wurde mir bewusst, dass ich mich schon jetzt müde und zerschlagen fühlte. Ich kämpfte neuerdings dagegen an, mein Essen bei mir zu behalten. Insbesondere, seit der Ranzen angekommen war, hatte ich ständig
ein flaues Gefühl im Magen und wackelige Knie. Als ich nun in die Küche ging und feststellte, dass Sally dort bereits mit Kaffeekochen beschäftigt war, bemühte ich mich, sie anzulächeln, obwohl mir war, als hätte ich gerade eine Magenblutung oder so etwas in der Art.
»Das tut mir so gut«, erklärte sie, während sie mir einen Kaffeebecher reichte. Sofort schämte ich mich dafür, dass ich sie am liebsten gleich wieder hinausgeworfen und die Tür hinter
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