Die Komplizin - Roman
Boot zu sitzen, den Meereswind im Gesicht zu spüren und die Füße in dem klaren türkisblauen Wasser baumeln zu lassen, während sich hinter mir ein unvorstellbar schönes, weiß gestrichenes Dorf erhob. Ich würde Ouzo trinken, tanzen, schwimmen, lange Spaziergänge über weiße Sandstrände machen und mich wunderbar frei fühlen – statt hier festzusitzen, gefangen von dem, was ich getan hatte, und krampfhaft bemüht, mit meinen Lügen, Halbwahrheiten und Ängsten klarzukommen.
Als ein Polizeibeamter anrief und mir mitteilte, sie wollten vorbeikommen und mit mir sprechen, wäre ich am Telefon fast zusammengebrochen. In dem Moment hätte ich es beinahe als Erleichterung empfunden zu gestehen, was ich getan hatte. Stattdessen erklärte ich mich bereit, sie gegen zwei Uhr nachmittags bei mir in der Wohnung zu empfangen. Sie würden mich nicht lange aufhalten, meinte der Beamte.
Ich rief sofort bei Sonia an. Seit jener schrecklichen Nacht hatte ich nicht mehr richtig mit ihr geredet. Wir hatten Blicke gewechselt, einander tröstend die Hand auf die Schulter gelegt, uns beruhigend oder warnend angelächelt, aber während der ganzen Zeit kein einziges Wort über das verloren, was wir getan hatten. Es lag wie eine tiefe Kluft zwischen uns. Ich erklärte ihr, wir müssten uns treffen.
»Nicht jetzt«, antwortete sie, »ich bin gerade auf dem Weg zu Amos.«
Ich erzählte ihr von Sally und der Polizei.
»Ich weiß«, sagte sie, »mich haben sie auch angerufen,
ebenso Amos. Sally hat ihnen etliche Namen genannt. Bestimmt ist das alles nur reine Formsache.«
»Wir müssen aufpassen, dass wir die gleiche Geschichte erzählen.«
»Bonnie.« Ihre Stimme klang streng. »Wir haben keine Geschichte zu erzählen. Fass dich einfach kurz.«
»Du meinst nicht, wir sollten uns treffen?«
»Das ist nicht nötig.«
Nervös wanderte ich in der Wohnung umher. Ich riss ein paar weitere Tapetenfetzen von der Wand und entfernte die erste Tür eines Schranks, der an der Wand festgeschraubt war, den ich aber abbauen wollte, sobald ich mir das richtige Werkzeug dafür besorgt hatte. Keine Schränke mehr, hatte ich beschlossen, sondern nur noch offene Regalfächer und frei hängende Kleiderstangen. Ich trank lauwarmen Kaffee und machte mich daran, im Internet nach billigen Stangen Ausschau zu halten. Fündig geworden, bestellte ich drei Stück, obwohl ich höchstens für eine einzige Platz hatte. Anschließend durchforstete ich meinen Kleiderschrank, fand aber nichts, was mir für ein Polizeiverhör passend erschien. Gab es für eine solche Gelegenheit überhaupt passende Kleidung? Im Geist übte ich bereits meine Antworten. »Nein, ich weiß eigentlich nicht viel über ihn …« – »Ja, ich habe ihm eine Wohnung besorgt, um einer Freundin einen Gefallen zu tun …« – »Nein, er hat mir nicht gesagt, dass er wegwollte …« – »Wann ich ihn das letzte Mal gesehen habe? Lassen Sie mich nachdenken. Das muss bei der Probe gewesen sein. Brauchen Sie das genaue Datum? …« – »Ich glaube, er ist einfach weitergezogen. Er war dieser Typ …« Am besten, ich wirkte hilfsbereit und leicht bedauernd, aber nicht ernstlich beunruhigt.
Das Telefon riss mich aus meinen Gedanken. Es war Neal.
»Hallo«, begrüßte ich ihn lässig, obwohl ich vor Beklemmung eine Gänsehaut bekam, »wie geht’s dir? Alles in Ordnung?«
Am anderen Ende der Leitung herrschte einen Moment Schweigen.
»Möchtest du reden?«, fragte er schließlich.
»Nein. Nein, möchte ich nicht.«
»Ich dachte, dir wäre vielleicht danach zumute.«
»Nein, ich glaube nicht, dass das etwas bringen würde. Falls du mir aber etwas zu sagen hast, dann raus damit. Aber vergiss nicht, dass sich manches nicht mehr zurücknehmen lässt, wenn es erst einmal ausgesprochen ist.«
»Du hast vielleicht Nerven, Bonnie Graham.«
»Geht es darum, dass die Polizei mit uns reden möchte?«
»Natürlich geht es um die Polizei. Was glaubst du denn?«
Ich musste an Sonias Ratschlag denken.
»Fass dich einfach kurz. Dann wird es schon gehen.«
»Ach ja? Möchtest du, dass ich ihnen irgendetwas Bestimmtes erzähle – oder nicht erzähle?«
Ich seufzte. »Nein, Neal«, antwortete ich langsam, »meinetwegen kannst du ihnen erzählen, was du willst.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
»Wenn du mich brauchst …«
»Danke, ich komme schon zurecht.«
Nachdem er aufgelegt hatte, bekam ich schlagartig wacklige Knie, und meine Hände zitterten derart, dass ich kaum
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