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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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sie ihn bestimmt. Ich war eine von Panik getriebene, in der Kunst des Versteckens völlig unerfahrene Amateurin, während diese Leute es zu ihrem Beruf gemacht hatten, Verborgenes aufzuspüren. Sie kannten sämtliche Plätze, an denen Schwachköpfe wie ich Dinge versteckten, und selbst raffiniertere Verstecke waren vor ihnen nicht sicher, denn wenn sie etwas unbedingt finden wollten, rissen sie einfach alles auseinander. Wobei die Zuckerdose ohnehin kein besonders brillanter Einfall gewesen war. Was, wenn jemand, der zu mir kam, plötzlich etwas Süßes mit sehr viel Zucker machen wollte, zum Beispiel Limonade oder einen Kuchen, und beim Leeren der Dose auf den Schlüssel stieß? So dumm das auch klang, aber was sollte ich dann sagen?
    Ich sprang aus dem Bett, rannte in die Küche, kletterte auf die Arbeitsplatte und versenkte eine Hand in der Dose. Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Was, wenn er nicht mehr da ist? Aber natürlich war er noch da. Ich legte ihn auf den Tisch, setzte mich und starrte ihn gedankenverloren an. Er erschien mir wie ein Talisman, ein Symbol für meinen Kontakt mit Hayden und für meine Schuld. Er strahlte fast so etwas wie Energie ab, weshalb ich ihn kaum zu berühren wagte. Ich dachte so intensiv über ihn nach, dass mir beinahe schwindlig wurde. Ich musste sowohl den Autoschlüssel als auch den Wohnungsschlüssel, den ich noch besaß, schleunigst entsorgen, und zwar irgendwo, wo ihn nie jemand vermuten würde. Warum um alles in der Welt hatte ich das nicht gleich getan? Ich versuchte die Motive dieser anderen Person zu verstehen  –
dieser früheren Bonnie, die den Wagen am Flughafen abgestellt hatte. Bestimmt gab es dafür einen Grund, selbst wenn ich mir dessen zu dem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen war.
    Ich zwang mich, über all das nachzudenken, obwohl es in der Vergangenheit lag und ich es eigentlich nur verdrängen wollte. Ja, es gab einen Grund, warum ich den Schlüssel behalten hatte. Hätte ich ihn weggeworfen, dann hätte ich dadurch meine letzte Chance verloren, etwas an der Situation zu verändern. Wäre mir im Nachhinein bewusst geworden, dass mir ein Fehler unterlaufen war oder noch etwas von mir im Wagen lag, dann hätte ich deswegen nichts mehr unternehmen können. War es wirklich eine so gute Idee gewesen, den Wagen am Flughafen abzustellen? Sollte die Polizei tatsächlich nach dem Fahrzeug suchen, wäre ein Flughafenparkplatz dann nicht einer der ersten Orte, der dafür infrage kam? Sie mussten ja keineswegs all die tausend Autos einzeln überprüfen. Vermutlich reichte es, wenn sie die Registriernummer in eine Datenbank eingaben. Auf diese Weise ließ sich die genaue Ankunftszeit des Fahrzeugs feststellen und somit auch zeitlich eingrenzen, wann Hayden verschwunden war. Sie würden anfangen, nach Alibis zu fragen. Konnten wir uns wirklich darauf verlassen, dass wir im Wagen keinerlei Spuren hinterlassen hatten? Selbst wenn dem tatsächlich so war, existierte mit Sicherheit eine Videoaufnahme, die eine Frau am Steuer zeigte. Es gab zu viele Schwachstellen. Ich zwang mich, weiter nachzudenken. Als ich schließlich begriff, in welche Richtung meine Gedanken mich lenkten, wurde mir ganz flau im Magen. Ich kam mir vor wie jemand, der an Höhenangst litt, sich aber trotzdem zwang, an den Rand einer sehr steilen Klippe zu treten, um sich dort so weit wie möglich vorzubeugen und in die Tiefe zu starren.
    Ich wusch mich rasch und zog mich dann an, doch es war noch zu früh, um die Wohnung zu verlassen. Ich musste warten,
bis die Läden öffneten. Schließlich wollte ich, dass viele Leute unterwegs waren, wenn ich am Flughafen eintraf. Der Schlüssel lag vor mir auf dem Tisch und schien ein Loch in die Platte zu brennen, während ich eine Tasse Kaffee nach der anderen trank und durchs Telefonbuch blätterte, bis ich fand, was ich brauchte. Ich riss eine Ecke von einer Zeitung ab und notierte die Adresse. Gegen halb neun verließ ich endlich die Wohnung. Zuerst ging ich zum Bankautomaten und hob dreihundert Pfund ab. Damit war ich jetzt schon zweihundertdreiundreißig Pfund im Minus. Wie sollte ich nächste Woche meine Hypothekenrate zahlen oder mir etwas zu essen kaufen? Ich ging die High Street entlang, bis ich einen Laden erreichte, an den ich mich vage erinnerte, obwohl ich ihn noch nie zuvor betreten hatte. Es gab dort seltsame Klamotten zu unglaublich günstigen Preisen. Ich erstand eine hässliche kastanienbraune Hose für fünf Pfund, ein absolut

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