Die Komplizin - Roman
hinter euch.«
»Weißt du, wie du mich erreichen kannst?«, fragte Nat.
»Meinst du, das wird nötig sein?«
Er schrieb seine Nummer auf einen Bierdeckel und reichte ihn mir.
»Du könntest uns auf dem Laufenden halten«, meinte er. »Uns anrufen, wenn es etwas Neues gibt, das wir wissen müssen.«
Auf dem Heimweg ließ ich im Geist Revue passieren, was ich zur Polizei gesagt hatte. Wie dumm von mir. Ich war davon ausgegangen, dass kaum jemand etwas von Hayden und mir mitbekommen hatte. Dass unsere Affäre quasi unbemerkt geblieben war. Dabei hatten eine Menge Leute Bescheid gewusst, vielleicht sogar alle. Bald würde die Polizei davon erfahren und von mir hören wollen, warum ich ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Ich musste mir eine plausible Erklärung einfallen lassen.
Davor
Energisch klopfte ich an die Tür, die einmal meine eigene gewesen war, und setzte eine möglichst coole Miene auf.
»Bonnie!«
»Hallo. Tut mir leid, ich bin ein bisschen spät dran.«
»Spät dran?«
»Hast du es vergessen?«
»Nein … das heißt, ähm … was?«
»Ich möchte meine Sachen abholen. Das haben wir doch bei unserer letzten Probe so vereinbart.«
»War das heute?«
»Sonntagvormittag, weil du da sicher warst, zu Hause zu sein. Darf ich reinkommen?« Ich trat einen Schritt vor, so dass ich bereits auf der Türschwelle stand.
»Ich bin noch nicht ganz so weit. Tut mir leid. Vielleicht können wir es auf einen anderen Tag verschieben. Es eilt ja nicht, oder?«
»Du hast leicht reden.« Ich war selbst erschrocken über meinen scharfen Ton. »Das Problem ist, dass ich mir extra Sallys Wagen ausgeliehen habe. So viel ist doch gar nicht mehr da, und du hast gesagt, du hättest es schon in Kartons gepackt.« Ich unternahm einen weiteren kleinen Vorstoß, der Amos zum Zurückweichen zwang. Er trug weite, fleckige Shorts und ein altes T-Shirt, das bereits an mehreren Stellen ausfranste. Mit seinem stoppeligen Bart und den wild abstehenden Haaren sah er aus, als wäre er gerade erst aus dem Bett gekrochen.
»Dann ist es wohl doch besser, du kommst herein«, meinte er und rieb sich mit dem Handrücken übers Gesicht, während er sich umdrehte und vor mir die Treppe zur Wohnung hinaufging. Ich musste daran denken, wie wir sie damals das erste Mal zusammen besichtigt hatten, als Amos jetzt die Tür aufschob. Gemeinsam waren wir in den großen Hauptraum getreten, der ohne Möbel wunderbar kühl und leer wirkte. Durch die zwei großen Fenster schien die Sonne und zauberte zwei leuchtende, leicht schräge Vierecke auf den grauen Teppich. Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Ich konnte mir sofort vorstellen, wie ich in dem Zimmer sitzen und Musik hören oder abends durchs Fenster auf die Straße hinausschauen würde. Ich wollte mein Leben dort verbringen und den leeren Raum langsam mit Erinnerungen und Krimskrams füllen. Nun war ich hier wieder eine Fremde, die kam, um besagten Krimskrams abzuholen. Ich blickte mich um. Mittlerweile sah alles ein bisschen anders aus. Das Sofa stand nicht mehr an seinem gewohnten Platz, und der kleine Couchtisch wirkte neu. Die Tassen, die ich auf dem Tisch entdeckte, hatte es zu meiner Zeit ebenfalls noch nicht gegeben.
»Kaffee?«, fragte Amos verlegen. Offenbar wusste er nicht
so recht, wie er mich behandeln solle. Wie einen Gast? Oder wie einen Eindringling?
»Das wäre nett.«
»Mit oder ohne Milch?« Er wurde rot. »Natürlich weiß ich noch, wie du ihn immer getrunken hast, aber das könnte sich inzwischen ja geändert haben.«
»Schon gut. Ich habe mich nicht geändert. Zumindest nicht, was meinen Kaffee betrifft.«
In der Stille, die nun folgte, war eine Klospülung zu hören und dann Wasserrauschen.
»Ich … ähm. Ich hätte etwas sagen sollen.«
Gedämpfte Schritte. Die Tür schwang auf.
»Hallo, Bonnie.« Sonia trug schwarze Boxershorts und ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck: »Legastheniker leben leichter.« Sie war barfuß. Ihre Zehennägel waren dunkelrot lackiert.
»Das Oberteil gehört mir«, stellte ich fest.
»Du bekommst es frisch gewaschen zurück.« Sie lächelte mich gutmütig an. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, von den beiden auf dem falschen Fuß erwischt worden zu sein. Vor nicht allzu langer Zeit war ich in dieser Wohnung zu Hause gewesen, doch plötzlich fühlte ich mich hier schrecklich unwohl.
»Wie geht es dir?«, fragte mich Sonia.
»Gut. Bestens. Ich hole nur meine Sachen ab. Ich bin gleich wieder
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