Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Badezimmermatten verzichtete. Wir stritten uns um etliche Bücher, und wegen einer CD von Crosby, Stills and Nash kam es fast zu Handgreiflichkeiten. Es ist wirklich erstaunlich, was man im Lauf der Zeit alles ansammelt. Ich hatte mir immer eingebildet, zu den Leuten zu gehören, die mit leichtem Gepäck reisten, doch anderthalb Stunden später war Sallys Wagen bis obenhin vollgepackt mit Druckertinte, DVDs, zwei Lautsprechern, alten Ausgaben von Musikzeitschriften, abgewetzten Wanderschuhen, Bettlaken und Kissenhüllen, einem Sitzsack, einem Hocker, etlichen kleinen Kissen, einem Standspiegel, einer Kaffeekanne und einer angeschlagenen Teekanne, mehreren Windspielen, Postern, Lampenschirmen, Topfpflanzen, Tellern, Tassen, einem großen Hammer, einer kleinen, rostigen Säge, einer Tüte voller Knöpfe, dem Wandkalender vom letzten Jahr, einem Christbaumständer sowie einer Schachtel mit einer kaputten Christbaumbeleuchtung. Hinzu kam jede Menge Müll, den man im
Leben so ansammelte: Handyakkus, Adapter, Stifte, Socken, Fadenspulen, diverse Schminkutensilien. Solange ich keinen Zugang zu diesen Dingen gehabt hatte, waren sie mir ungemein begehrenswert erschienen, und der Gedanke, dass sie sich in Amos’ Besitz befanden, hatte mich mit Wut und Selbstmitleid erfüllt. Nun, da sie sich hinter mir im Wagen stapelten, wurden sie wieder nutzlos und überflüssig. An einem Müllcontainer hielt ich an und warf mehrere Taschen hinein, wobei ich mir nicht mal die Mühe machte, genau nachzusehen, was sie enthielten. Anschließend erstand ich in einem Blumenladen in Camden einen riesigen Blumenstrauß, um damit die Vase zu füllen, um die ich so verbissen gerungen hatte, und fuhr mit meiner Beute nach Hause.

Danach
    Ich führte ein weiteres Gespräch mit Joy Wallis und DI Wade, diesmal allerdings nicht in meiner Wohnung, sondern auf dem Polizeirevier, und es handelte sich auch keineswegs um eine ungezwungene Unterhaltung, sondern um eine offizielle Befragung, bei der sogar ein Kassettenrekorder lief. Mittlerweile hatte niemand mehr ein Lächeln oder eine beruhigende Bemerkung für mich übrig. Meine Hände zitterten derart, dass ich sie auf den Schoß legen musste, damit niemand sie sah. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass meine Stimme in dem kleinen, kahlen Raum unangenehm widerhallte. Das Licht war dort so grell, dass bestimmt jedes noch so kleine Zucken in meinem Gesicht auffiel und jede Lüge umso deutlicher von meinen Zügen abzulesen war. Ich ermahnte mich, so wenig wie möglich preiszugeben und einfach zu wiederholen, was ich bereits gesagt hatte  – wobei ich mich daran kaum noch erinnern konnte. Meine Geschichte, wenn es denn überhaupt eine war, schien im panischen Wirrwarr meiner Gedanken
verloren gegangen zu sein. Nur winzige Bruchstücke waren übrig geblieben und schwirrten in einem Durcheinander aus Erinnerungsfetzen und Ängsten umher. Ich kam mir vor wie eine Schauspielerin, die sich nur an ein paar unzusammenhängende Zeilen ihres Textes erinnern konnte, aber noch ein ganzes Theaterstück vor sich hatte.
    Den Vormittag hatte ich damit verbracht, in dem Café, das ein Stück die Straße entlang lag, bei einem Kännchen Kaffee die Morgenzeitungen zu lesen. Den Kaffee hatte ich so schnell getrunken, dass ich mir die Lippen verbrannte, das Mandelcroissant hingegen kaum angerührt, weil mir derart flau im Magen war, dass ich befürchtete, mich gleich übergeben zu müssen. Sämtliche Zeitungen brachten Berichte über Hayden Booth, den begabten Musiker mit den vielversprechenden Zukunftsaussichten, dessen Leiche in einem Stausee gefunden worden war. Die Schlagzeilen kündeten sensationslüstern von einem Geheimnis, einer Tragödie, dem Kummer der Angehörigen. Welchen Angehörigen? Hatte er eine Mutter, einen Vater oder Geschwister? Vielleicht sogar kleine Neffen und Nichten, die auf ihm herumgeklettert waren, wie Lola es getan hatte? In fast allen Zeitungen prangte ein Foto von ihm, das mehrere Jahre zuvor aufgenommen worden war und ihn mit seiner Gitarre auf einer Bühne zeigte. Sein Gesicht lag halb im Schatten, sein Blick wirkte verschleiert. Er sah aus wie ein Star, berühmt und schön. Sein bloßer Anblick raubte mir den Atem. Ich wusste mir keinen anderen Rat, als die Arme um meinen Oberkörper zu schlingen und zu warten, bis mein Herzschlag sich etwas beruhigt hatte.
    Ich wollte nichts über ihn lesen, konnte aber nicht damit aufhören. Verzweifelt überflog ich jede Zeile, darauf gefasst, jeden

Weitere Kostenlose Bücher