Die Konkubine des Erzbischofs
Pfaffenkönig zum Morde vorgeführt hat? Ist nicht jemandem, der derartige Grässlichkeiten begeht, auch anderes zuzutrauen? Den Hufschmied zu enthaupten? Meinen Bruder an seiner statt verurteilt zu sehen?
Hat mich Gott betrogen? Wie hatte ich nur El Arab trauen können? Er hat den Hufschmied umgebracht! Er ist bereit, meinen Bruder dem Verderben anheim zu geben, um sich zu retten!
Nein, das ergab keinen Sinn. Gott betrügt mich nicht.
Jemand musste El Arab zuvorgekommen und dem Hufschmiede den »Schatz«, den er suchte, bereits entwendet haben. Und warum hätte El Arab den Kopf des Toten vor dem Hause meiner hohen Herrin aufbauen sollen? Warum einen Brief mit seinem Siegel verschlossen? Wie konnte er hoffen, auf diese Weise seines »Schatzes« habhaft zu werden? Gleichviel, wenn es auch nicht die Lösung des Rätsels war, so hatte ich doch einen Hinweis bekommen, der mir sagte, dass ich El Arab gegenüber misstrauisch sein musste.
Nein, ich wollte nicht glauben, dass er mich hintergangen hatte – und die hohe Herrin ebenso.
Um mich abzulenken, blätterte ich in dem Buche, ohne mich zu wundern, dass meine Erinnerung an den Unterricht, den ich in der Klosterschule genossen hatte, trotz all der dazwischenliegenden Tragik gut genug war, um mich die Worte verstehen zu lassen. Ich fand eine Stelle, bei der ich verweilte, wo der Philosoph sagt: »Selbst der Autorität der christlichen Philosophen beugen wir uns nicht, ohne ihre Meinung vorher mit der Vernunft zu überprüfen.« Ich konnte mir vorstellen, dass es Leute gab, die diesen Satz für Ketzerei hielten …
Unschlüssig, was ich nun mit dem Buche anfangen sollte, wickelte ich es wieder in das Tuch ein und versteckte es in einem geschützten hohlen Astloch der Linde, wünschend, dass es niemand finden und entwenden würde. Es schien mir aber sicherer, es nicht mit mir herumzuführen. Ich wollte es wieder an mich nehmen, wenn ich wusste, was zu tun sei, besonders, wie ich mich El Arab gegenüber verhalten sollte.
Dann nährte ich Johannes, meinen hungrigen Sohn, um mich hernach auf den Weg über die Vrisingasse, vorbei an den ehrbaren Häusern der friesischen Tuchhändler in die Schwalbengasse zu machen. Ich hoffte, auch dort Glück bei meinen Nachforschungen zu haben.
Als ich in der Schwalbengasse, nicht weit westlich des Minoritenklosters gelegen, angekommen war, fühlte ich mich recht unbehaglich unter den ebenso misstrauischen wie spöttischen Augen der Hübschlerinnen, deren Elend mir wohl bewusst war, die jedoch in ihrem Elend eine Art eigenen Stolz bewahrt hatten, der sich Fremden gegenüber in Überheblichkeit ausdrückte.
Ich betrat mit beklommenem Herzen das berüchtigte Hurenwirtshaus der dicken Eleanore, Ehefrau eines Bauern namens Michael Mauerkauer . (der nämliche Bauer, der den Prozess gegen den weißen Wolf geführt und verloren hatte). Im Wirtshaus war’s düster, kaum Tageslicht drang durch die Ritzen, und der gestampfte Boden roch modrig und fühlte sich glitschig an, weniger von getautem Schnee als von vergossenem Wein und Bier. Die Tische und Stühle, die dicht gedrängt standen, waren eher entzwei als ganz, und ein jeder kauerte sich hin, wo es nur ging. Im Gedränge des betrunkenen Bubenvolkes . (erstaunt gewahrte ich darunter auch den Ratsherrn Hans, den man den »Frommen« nennt) und der geschäftigen Mägde konnte ich kaum die ganz in Hurengelb gewandete Wirtsfrau erspähen, die gute Geschäfte machte. Eleanore war eine, die sich, wie man so sagt, über die Schenkel pisst – von so grober und derber Schönheit, einer Elster gleich, dass sie nur auf Mannen wirkt, die eine Arznei gegen ihr ungebührliches Leiden zum Überleben benötigen.
Erst als mich zufällig eine der Hübschlerinnen, die auch zu den Magdaleninnen zählte, erkannte und ansprach, wurde ich freundlicher aufgenommen.
Die Magdalenin, Angela mit Namen und von anmutigem Äußeren, führte mich zu Paulina und erzählte mir derweil, dass sie einen kränklichen Sohn habe, der weder sterben wollte noch gesund genug war, um die Arbeit zu tun, die notwendig ist, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
»Weißt du, wie viel das alles kostet, dieses unschickliche freie Leben, das ich führe? Wenn ich auch, meines ansprechenden Fleisches wegen, das Gott mir als einzige Gabe verliehen hat, zwei Albus bekomme, so muss ich davon aber neben meiner vorgeschriebenen Abgabe an den Henker noch für das Essen und Trinken im Badehaus bezahlen, um die Männlein gefügig zu machen,
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