Die Konkubine des Erzbischofs
»Schließlich hast du mir einen Liebesdienst erwiesen, den ich, nachdem du mich für einen Lügner halten musstest, nicht hätte erwarten dürfen.«
»Mein Herz, Herr, war ach zerrissen zwischen der Treue zu Euch und zu meinem Bruder, der offensichtlich unschuldig ist – unschuldig an dem Morde, für den er gerichtet wurde, schuldig aber durchaus, wie ich von Paulina erfahren musste, an der Ausübung der Talionsrache, auf die gewiss zu Recht auch der Tod steht.« Derart einfach also hatte ich nun das schreckliche Geheimnis nebenbei preisgegeben, das ich mit Argusaugen hütete!
»Ich Esel! Ich Ochse!«, rief El Arab. »Der Beweggrund! Du kanntest die ganze Zeit den Anlass! Den Schlüssel zu allem!«
»Was meint Ihr?«, fragte ich begriffsstutzig.
»Der Beweggrund des Erzbischofs, Rignaldos Tod zu wollen … Das war es also, was mir Peppino nicht offenbaren wollte, als ich ihn ein wenig nachdrücklich befragt hatte.«
»Ihr habt Peppino etwas angetan?«, fragte ich aufgebracht. Denn das hätte ich El Arab nun wirklich niemals verzeihen können, wenn er Peppino gequält hätte, wiewohl er sich gegen mich gewandt hatte.
»Du entsinnst dich der Wunden, die du wohl gewahrt haben musst, als wir im Bade waren?«, fragte El Arab. »Nun also, es gab eine handfeste Disputation mit den Fäusten, und keiner hat obsiegt.«
»Ihr habt ihn aber so erschreckt, dass er die Stadt verlassen hat!«, wütete ich weiter.
»Anstatt mir zu zürnen«, besänftigte mich El Arab, »solltest du mir dankbar sein. Denn ihn hätte die Rache Konrads als nächsten und letzten getroffen. So habe ich ihm das Leben gerettet. Wiegt das meine Sünde auf?«
»Ich war unbedacht und voreilig, Herr«, gab ich zu. »Der erste Schritt, seinen Rachedurst zu laben, machte Konrad, indem er den langsamen Gisbert beauftragte, im günstigen Augenblicke, da Streit zwischen Rignaldo und dem Hufschmied herrschte, letzteren zu töten.«
»Der langsame Gisbert«, staunte El Arab. »Du meinst, der langsame Gisbert habe im Auftrage des Erzbischofs den Hufschmied enthauptet?«
»Ich weiß es«, sagte ich fest. »Der Ohren-Schatten hat mich darauf gebracht. Habt Ihr schon einmal auf den Schatten geachtet, den der langsame Gisbert wirft?«
El Arab versuchte, sich zu erinnern. »Ja, sein Schattenwurf stimmt mit der Beobachtung deines Bruders Rignaldo überein, von der du mir berichtet hast. Ein Ohren-Schatten. Ein ziemlich zweifelhafter Beweis übrigens, wie ich dir sagen muss.«
»Fügt ihn zusammen«, forderte ich, nun wieder selbstbewusst, »mit Eurer Aussage, dass Goswin und der langsame Gisbert verschworen sein müssen. Woher sollte Goswin von dem Golde wissen, das ich unverhofft vom Erzbischof erhalten hatte?, fragtet Ihr. Und ich frage Euch nun: Wie ist Goswin in den Besitz des Buches gelangt? Schließlich muss jemand, der des Lesens fähig ist, ihm gesagt haben, es handele sich um Euren Schatz .«
»Wie blind bin ich gewesen!«, jammerte El Arab. »Erst hätte ich schwören können, dass der Hufschmied von einem Schatzsucher enthauptet worden ist, den ich schon lange an meinen Fersen wähne. Dann, als ich ihn nicht fand, vermeinte ich, Pater Bueno kämpfe solcherart gegen ein Buch, das ihm ein Dorn im Auge sein muss.«
»Es bleibt eine entscheidende Frage offen, Herr«, sagte ich. »Ich verstehe nicht, was der Erzbischof mit der Posse bezweckt haben kann, den abgeschlagenen Kopf des Hufschmiedes mit dem sattsam bekannten Pergamente vor dem Hause seiner Konkubine aufstellen zu lassen.«
»Überlasse die Klärung dieser Frage getrost mir, meine tapfere Tochter«, entgegnete El Arab großmäulig. »Man muss nur den langsamen Gisbert befragen … aber meine Neugier beginnt, mich zu übermannen, und ich bin ihrer nicht Herr, wie ich es sein sollte.« El Arab versuchte nun nicht mehr, seine vorgetäuschte vornehme Zurückhaltung obwalten zu lassen. »Bitte, führe mich dorthin, wo du das Buch aufbewahrst, auf dass ich es mit meinen Händen ergreifen kann. Ich werde es immer als deinen Besitz achten, wenn du es mir überlässt, um mich den rechten Weg finden zu lassen.«
Also führte ich ihn zu der Linde vor dem Butzenhofe in der Quintinusweingart hin, wo ich das Buch in Leinen eingeschlagen hinterlegt und Gottes Wachsamkeit überantwortet hatte.
Nachdem El Arab es aufgeschlagen hatte, konnten wir lange nicht zurückgehen, denn er vertiefte sich unverzüglich ins Lesen. Ab und zu murmelte er einige Worte, die ich verstand:
»Höre die Kraft dieser Worte,
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