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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Heinrich und denkt, er ischt unglaublich wichtig. Der Prinz hat ihm irgendwann diese Bruyère-Pfeife geschenkt, und die pafft er jetzt dauernd, damit’s auch ja jeder sieht. Truppel hat ihn wohl geschickt, um die Verhandlungen zu beobachten.»
    «Worum ging es bei diesen Gesprächen überhaupt?»
    «I hab’s nicht richtig kapiert, aber ich glaub, die wissen nicht so recht, was sie mit einem jungen Chinesen machen sollen, der seinem Vater die Füße gebrochen hat.»
    In China bedeutete ein solches Vergehen das Todesurteil, das hatte Konrad schon gelernt. Kinder schuldeten ihren Eltern unbedingte Ehrerbietung. Bei Verstößen kannten die Chinesen keine mildernden Umstände. Der Junge musste ziemlich verzweifelt gewesen sein, um so etwas zu tun.
    Rathfelder unterbrach seine Gedanken. «Sein Alter ischt offenbar ein Säufer und Herumtreiber. Mit gebrochenen Füßen wird er wohl brav daheim bleiben müssen. Ich denk, der Amtmann will nicht, dass der arme Kerle enthauptet wird, und hat deshalb die Dorfältesten und den Präfekten herzitiert. Die Alte und die Junge waren wohl Mutter und Schwester des Delinquenten. Ah, hascht du den Jubel gehört? Die Chinesen sind offenbar zufrieden mit dem Ergebnis der Gespräche.»
    «Ich hoffe bloß, dass es dem armen Kerl nicht an den Kragen geht.»
    «Er wollte doch nur das Beschte», fand auch Rathfelder. «Doch jetzt komm, du Preuß, wir müssen zurück nach Tsingtau. Es ischt noch weit.»
    «Das wird dann wohl eher ein Nachtmarsch werden, bis wir in unseren Betten liegen.»
    «Gut erkannt, Kamerad.» Damit schulterte der Schwabe seinen Tubakasten und stapfte den anderen Musikern hinterher.
    Konrad sprach nicht viel in den nächsten Stunden. Das bleiche Gesicht der jungen Chinesin im Tempel, ihre vor Schreck geweiteten Augen gingen ihm nicht aus dem Sinn. Er merkte nicht, dass er weit hinter die anderen Musiker zurückgefallen war. Auch Eugen Rathfelder war inzwischen weit voraus, jedenfalls konnte er ihn nicht mehr sehen. Er machte sich weiter keine Gedanken darüber, er würde schon zurückfinden. Kurze Zeit danach überholte ihn eine verhangene Sänfte, getragen von stämmigen Männern, die im Eilschritt in Richtung Tsingtau unterwegs waren. Sie wurde von zwei Bewaffneten begleitet.
    Plötzlich brachen aus dem Buschwerk am Wegesrand mit wildem Geschrei acht Männer hervor, bewaffnet mit Keulen und Spießen. Zu Konrad Gabriels Erstaunen trugen sie die roten Kopfbinden der Boxer. Diese Aufständischen hatten erst wenige Jahre zuvor für Aufruhr gesorgt und waren vertrieben worden. Und nun sollten die Boxer zurückgekommen sein? Nach der Bewaffnung zu urteilen, waren das eher hungernde Bauern, die unter falscher Flagge durch das Land marodierten und plünderten.
    Dann hatte er keine Zeit mehr für weitere Überlegungen. Die Männer schwangen ihre Waffen und stürzten sich brüllend auf die Sänfte. Die beiden bewaffneten Begleiter ergriffen kreischend die Flucht. Konrad packte seinen Trompetenkasten mit beiden Händen. Er war seine einzige Waffe. Damit drosch er auf alles ein, was sich ihm bot – Arme, Beine, Köpfe. Dann wieder nutzte er ihn als Schild gegen die Hiebe, die ihm die Angreifer verpassen wollten.
    Die Träger hatten die Sänfte abgesetzt und wehrten sich mit Händen und Füßen. Sie schienen in Kampftechniken geschult zu sein. Doch die Angreifer ebenfalls. Konrads Trompetenkasten nahm die ungewohnte Behandlung übel und barst, das Instrument fiel zu Boden. Er nutzte die Chance und blies das bekannte Signal, das seit Jahrhunderten auf europäischen Schlachtfeldern zum Angriff rief. Er hoffte, dass einige der Kameraden weiter vorne ihn hören und ihm zu Hilfe eilen würden. Die Angreifer reagierten irritiert. Das verschaffte ihm und den Trägern einige Sekunden Luft.
    Die Banditen hatten sich jedoch schnell von ihrer Überraschung erholt und machten Anstalten, ihn zu überwältigen. Konrad fürchtete, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Seine dunkelblaue Festtagsuniform war inzwischen zerrissen, ein Ärmel hing halb herunter, sein Körper war übersät mit blauen Flecken. Er spürte es nicht. Er wusste nur, er würde nicht mehr lange durchhalten gegen diese erstaunlich starken und wendigen Angreifer. Anscheinend gehörten sie trotz ihrer steinzeitlichen Bewaffnung zu einer jener Räuberbanden, von denen immer wieder die Rede war. Diese Männer hinterließen grundsätzlich keine Zeugen.
    Doch Konrad gab nicht auf. Sein Instrument war völlig lädiert und als

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