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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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der chinesischen Händler. Sie ist die Zweite Nebenfrau, die dritte Dame in seinem Haus, wenn Sie so wollen. Liu ist ein gefragter Komprador und soll steinreich sein. Jedenfalls hat er großen Einfluss, sowohl bei den Europäern als auch bei den Chinesen. Er ist offenbar ein Protege von Yuan Shikai, dem früheren Gouverneur von Schantung. Hat Verbindungen bis hin zum Kaiserhaus. Bis zum Kaiserhaus.» Fauths letzte Worte klangen verächtlich. Er schien diesen Yuan, oder wie auch immer er hieß, nicht sonderlich zu schätzen.
    «Komprador?»
    «Ja, das Wort kommt aus dem Portugiesischen. Chinesisch heißt es Maiban. Das sind Chinesen, die zwischen den Europäern und ihren chinesischen Partnern vermitteln. Es ist besser, Liu nicht zum Feind zu haben. Sie haben eine seiner Konkubinen gerettet und damit einen wichtigen Kontakt gewonnen. Liu wird Sie von nun an unterstützen, wenn Sie Hilfe brauchen.»
    «Und wie heißt sie?»
    «Keine Ahnung. Irgendetwas mit Song. Chinesen sprechen nicht über ihre Frauen. Wie man hört, ist sie die Schwester von Song Gan. Er soll ein Gefolgsmann von einem der Berater des Kaisers während der Hundert-Tage-Reform gewesen sein und ist hingerichtet worden. Doch es wird viel geredet, und in diesem Fall gibt es wohl auch einiges, worüber Liu lieber den Mantel des Schweigens breitet. Es ist sowieso ein Wunder, dass er sie in sein Haus genommen hat, denn ihre Familie ist geächtet. Aber sie ist ja auch nur eine Konkubine.»
    Also irgendetwas mit Song. Konrad witterte ein Geheimnis. Sein Interesse an dieser Chinesin wuchs mit jeder neuen Auskunft. Doch er machte sich keine Illusionen. Sie gehörte nicht zu jenen weiblichen Personen, mit denen seinesgleichen in Berührung kam. Das galt im Übrigen auch für die meisten Europäerinnen. Sie gaben sich nur mit den Offizieren ab. Das jedoch ausgiebig, wie in den Mannschaftsquartieren gemunkelt wurde. Der Klatsch blühte in Tsingtau, das hatte er schon festgestellt. Er seufzte. Für einen Soldaten wie ihn blieben nur die Freudenmädchen, wenn ihn die Sehnsucht nach ein wenig weiblicher Nähe und Zärtlichkeit übermannte.
    Den Rest des Weges zurück in die Bismarck-Kasernen sprach Konrad nicht mehr viel. Bevor er auf die Matratze sank, betrachtete er betrübt seine Trompete. Darauf würde er nicht mehr spielen können. Das Mundstück hatte er ohnehin verloren.
    Am nächsten Morgen wurde er zu Gouverneur Oskar Truppel höchstselbst befohlen. Er tat trotz der schmerzenden Muskeln und der Prellungen sein Möglichstes, die geforderte stramme Haltung einzunehmen. «Gefreiter Konrad Gabriel meldet sich zur Stelle, Exzellenz», schmetterte er und zuckte zusammen, als er seine Hand mit der gewohnt zackigen Bewegung zum militärischen Gruß an die Stirn heben wollte.
    Oskar Truppel, Kapitän zur See der kaiserlichen Marine und Gouverneur des deutschen Schutzgebietes Kiautschou, strich sich über seinen Kaiser-Wilhelm-Bart. Dieser gab ihm ein würdevolles Aussehen, auch wenn die Enden nicht ganz so kunstvoll nach oben gezwirbelt waren wie bei Wilhelm Zwo oder Friedrich Fauth. Seine Augen unter den dicken Augenbrauen wirkten stechend. Letztere kamen besonders wirkungsvoll zur Geltung, weil sich der Haaransatz schon etwas zurückgezogen hatte. Seine Oberlippe verschwand völlig unter dem monumentalen Schnauzer. Doch an der Unterlippe konnte Konrad erkennen, dass Truppel den Mund in seinem Leben mehr als einmal zusammengepresst haben musste. Er sah müde aus, hatte Augenringe. Als wäre er krank. Trotzdem schien er gute Laune zu haben.
    «Stehen Sie bequem», forderte Truppel ihn jovial auf.
    Konrad stellte sein rechtes Bein zur Seite und nahm erleichtert eine etwas weniger unbequeme Haltung an.
    Der Kapitän zur See musterte ihn von oben nach unten und wieder zurück. «So, Sie sind also der Mann, der keine Angst davor hat, sich die Hände schmutzig zu machen.»
    «Verzeihung, Exzellenz?»
    «Können die Trompete kräftig schwingen, was? Wie sieht es denn mit der Forke aus? Kennen sich im Stalldienst aus, wie man hört. Waren bei der Feldartillerie Danzig.»
    «Jawoll, Exzellenz. Als Kanonier und Stallknecht.»
    «Und dann? Freiwillig für China gemeldet, was?»
    «Jawoll, Exzellenz.»
    «Und? Zufrieden?»
    «Jawoll, Exzellenz.»
    «So. Hm. Fauth hat berichtet, Sie können zupacken. Haben den verdammten Banditen gestern tüchtig eingeheizt.»
    «Der Vizegouverneur?» Konrad Gabriel hätte die letzten Worte am liebsten zurückgenommen und biss sich auf die Lippen.

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