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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Die Kameraden auf der Stube hatten ihn weiter über Friedrich Fauth aufgeklärt, den Mann für alle Fälle, Geheimagent für besonders delikate Aufträge, der sich seiner Wichtigkeit in jeder Sekunde bewusst war. Jedermann im Schutzgebiet nannte ihn den Vizegouverneur. Natürlich hinter vorgehaltener Hand.
    Truppel lachte schallend. «So. Sie kennen diesen Spitznamen also auch schon. Naja. Besser, Sie erwähnen das nicht, wenn Fauth dabei ist. Der mag solche Fisimatenten nicht. Andere schon. Werde nie vergessen, wie von Holtzendorff unseren Felix Funke bei seiner Ankunft zum Vizegouverneur schickte. Ha! Sie kennen meinen Stabschef? Und von Holtzendorff? Nein? Na, Sie werden den Korvettenkapitän und den Zweiten Admiral schon noch kennenlernen. Holtzendorff hat Fauth übrigens diesen Spitznamen verpasst. Lustige Geschichte das. Haben viel gelacht über Fauths verblüfftes Gesicht.»
    Truppel unterbrach sich. «Aber gut, besser wir reden nicht weiter darüber, was? Gehört nicht hierher.»
    Konrad war erleichtert über die Reaktion des Gouverneurs, konnte sich ein Grinsen aber gerade noch verkneifen. «Zu Befehl, Exzellenz.»
    «Wie ist es denn so in Tientsin? Nehmen Sie kein Blatt vor den Mund.»
    Truppel schien das tatsächlich so zu meinen. Konrad fasste sich ein Herz. «Am besten vertragen sich Deutsche und Franzosen. Die meisten Schlägereien gibt es zwischen Deutschen und Österreichern.»
    «So, so. Und wie steht es mit den Amerikanern?» Truppels blaue Augen blitzten, die Unterhaltung schien ihm Vergnügen zu bereiten. Konrad wurde etwas mutiger. «Wenn Exzellenz gestatten, also die Amerikaner sind sehr freundlich, mit der militärischen Disziplin ist es aber nicht weit her. Unser preußischer General Steuben scheint auf die militärische Entwicklung Amerikas weniger Einfluss gehabt zu haben als ich bisher dachte.»
    Truppel schmunzelte. «So. Der Mann kann also eine Kanone abfeuern, Ställe ausmisten, Trompete spielen, Banditen abwehren – verdammte Schweinerei, dieser Überfall – und kennt sich auch noch in der Geschichte und der Politik aus. Bemerkenswert. Fauth hat nicht zu viel versprochen. Haben nur einen Schönheitsfehler.»
    «Zu Befehl, Exzellenz?»
    «Sind kein Mitglied der Reichsmarine.»
    «Zu Befehl, Exzellenz.»
    «Fauth hätte Sie gerne hier in Tsingtau. Braucht Hilfe, sagt er, hat zu viel zu tun. Hätten hier auch Bedarf für einen guten Trompeter. Was ist, Mann, suchen Sie doch um Ihre Versetzung nach! Würde ich selbstredend wärmstens befürworten, mit dem nötigen Nachdruck unterstützen. Bis dahin könnten wir Sie noch eine Weile ausleihen. Oder wollen Sie unbedingt zurück nach Tientsin?»
    Konrad dachte nach. Hier hatte er im Gegensatz zu Tientsin bereits einen Kameraden gefunden. Rathfelder und er verstanden sich. Die Soldatenunterkünfte waren hell, diese neue deutsche Stadt hatte etwas von einem mondänen Badeort, auch wenn die Soldaten natürlich nicht denselben Strand wie die Offiziere und die feinen Leute benutzen durften. Er liebte die Spaziergänge am Meer, die er in seiner freien Zeit unternahm. Selbst das Exerzieren schien einfacher zu sein unter diesem blauen Frühlingshimmel, angesichts der kantigen Berge des Lauschan, der Meereswellen, die an die langen Strände spülten, und des Grüns, das überall zwischen den ausgewaschenen Steinen und den kahlen, erodierten Hängen Wurzeln zu schlagen begann. Die Deutschen hatten eine Versuchsgärtnerei eingerichtet, die ersten Erfolge zeigten sich. Zwischen den zerklüfteten Felsen mit den tiefen Rinnen der Ravinen wuchsen inzwischen rund um Tsingtau Kiefern und Robinien. Und in den großzügig angelegten Gärten des Europäerviertels sprossen Rosen, Lilien und Hortensien. Die Kirschen waren schon verblüht, die Apfelbäume würden bald die ersten Früchte ausbilden. Grün wie die Bäume, rot wie die Ziegel der Dächer, ockergelb wie der Putz der Häuser und blau wie der Himmel und das Meer – das waren die Farben von Tsingtau. Hier ließ es sich leben. Seit der Besetzung war bereits Unglaubliches geleistet worden. Und mit Fauth würde er schon auskommen, außerdem: Schleifer und Kommissköpfe gab es überall. Einigen davon konnte er auf diese Weise entkommen.
    «Nein, Exzellenz, ich meine ja.»
    «Was nun?»
    «Ich würde gerne bleiben, Exzellenz. Da gibt es nur ein Problem.»
    «Probleme haben wir hier nicht.»
    «Meine Trompete ist so verbeult, dass ich nicht mehr darauf spielen kann.»
    Truppel verkniff sich ein Grinsen.

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