Die Konkubine
riskierscht du einen Tripper oder sogar Syphilis. Die japanischen Geishas sind unerschwinglich. S’gibt aber au ganz proppere Russinnen, wenn dir mehr nach einem europäischen Gesicht ischt. Und dann sind da natürlich noch die Blumenboote im Kleinen Hafen. Aber die sind meischt für die feinen chinesische Pinkel reserviert und außerdem noch Glücksspiel- und Opiumhöhlen. I glaub’, die wahre Leidenschaft von den Chinesen ischt es ohnehin zu zocken. Ob Kuli oder Boy, kaum hend sie mal, Verzeihung, haben sie mal eine Sekunde Pause, spielen sie. Wenn du willscht, führe ich dich. Ich kenn’ übrigens auch einen guten chinesischen Doktor. I mein bloß, falls du dir mal was einfängscht. Bei Tripper gibt’s Liu wei de huang wan, das sind gelbe Pillen aus sechs Geschmäckern. Ich han’s no net ausprobiert, doch meine Kumpels saget, s’isch zwar Chinesisch, hilft aber einewäg. Guck net so, du ungläubiger Thomas. Des schtimmt. Und die Chinesen sind allemal weniger ruppig im Umgang mit deinen beschten Teilen als unsere Doktoren. Die mögen es nämlich gar nicht, wenn du zu de Mädle goscht. Äh, wenn du zu den Illegalen gehst. Die hohen Herren sind da sehr etepetete. Dabei hen sich einige längscht ein Chinesemädle gekauft. Natürlich weiß die Frau dahoim von nix. So, jetzt komm. Da hinten schtandet jede Menge Karren.»
Auf Rathfelders Wink hin kam ein hagerer Chinese mit seinem Gefährt zu ihnen geeilt. Er trug das übliche Hemd, das bis an die Oberschenkel reichte, darunter eine Art Pluderhose. Den Zopf hatte er wohl unter dem Hut aufgerollt, der die kahl rasierte Stirn verdeckte. Konrad wusste bereits, dass chinesische Männer von den mandschurischen Fremdherrschern zu dieser Haartracht gezwungen wurden. Bei Zuwiderhandlung drohte die Todesstrafe. Der Mann war barfuß, eine Mischung aus Dreck, Pferdeäpfeln und Schweinemist klebte an seinen Füßen.
Konrad betrachtete ihn zweifelnd. «Meinst du, er kann uns wirklich beide ziehen? Er wirkt, als hätte er seit Tagen nichts gegessen.»
«Kei Sorg, die Chinesen sind zäh. Hasch du g’wusst, dass es hier einen Gesundheitstest für die Rikschafahrer gibt? Wer zu schwach ischt, kriegt von der deutschen Verwaltung keine Lizenz. Jetzt guck net wie’s Schpätzle wenn’s blitzt. Das ischt halt gute deutsche Gründlichkeit. Wie lange bleibscht du eigentlich noch?»
Konrad behielt seine Zweifel am unbeirrten Einsatz deutscher Gründlichkeit für sich. «Ich weiß nicht, wann ich nach Tientsin zurück muss. Mir wurde gesagt, nächste Woche.»
«Na, bis dahin bischt du auf jeden Fall herzlich willkommen auf unserer Stube. Bischt kein schlechter Kerle, obwohl du aus Preußen kommscht. Außerdem: Hier in der Fremde müssen wir Deutschen zusammenhalten. Mit dir sind wir zu sechst. S’gibt sogar eine offene Galerie nach Süden, Richtung Meer – mit Blick auf den Exerzierplatz. Ohne den saumäßigen Krach wär’s fascht wie im Hotel. Das ganze Gelände ischt eine einzige Baustelle. Die bauet grad’ weitere Kasernen. Doch an den Lärm gewöhnscht du dich. Die Zimmer sind modern, relativ groß und hell. Mir hend, äh, wir haben sogar fließendes Wasser in den Sanitärräumen und nigelnagelneue Kanonenöfen. Ja, ja, du Preuß, da staunscht du. Das Deutsche Reich isch net knausrig, wenn’s um Tsingtau geht.»
«Meine Familie stammt aus Schlesien», protestierte Konrad. «Ich bin kein Preuß.» Doch Rathfelder antwortete nicht, er studierte die Landschaft. Konrad beschloss, sich weitere Ausführungen über seine Herkunft zu schenken.
Der knochige Chinese hatte sich vor den Wagen gespannt und trabte zügig mit dem Gefährt und seinen beiden Passagieren im Schlepptau übers Land. Die großen, mit Eisen beschlagenen Holzräder holperten, die beiden Soldaten auf der Bank unter der Plane wurden kräftig durchgeschüttelt. Nur wenn es bergauf ging, und das war nicht selten, wurde die Fahrt etwas langsamer. Konrad wollte bei der ersten Steigung abspringen, doch sein neuer Kamerad hielt ihn zurück. «Lass das, du verletzt sonscht seinen Stolz.»
Plötzlich hörten sie einen Paukenschlag, der aus dem Inneren eines kleinen Tempels drang. Gleich darauf brannten vor dem Gebäude zwei Mönche Feuerwerkskörper ab. Sie knatterten höllisch.
Rathfelder bedeutete dem Kuli anzuhalten. Er schulterte seinen Tubakasten und zog den Freund am Rock. «Komm, lass uns nachschauen, was da los ischt! Das muss der Tschiu-schui-an-Tempel sein. Ja guck, daneben ischt unsere Polizeistation. Die
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