Die Konkubine
Auch Song Mulan stirbt vielleicht. Kann nicht sprechen mit chinesischen Leuten. Zu große Angst. Geraten dann auch in Gefahr. Deutscher Soldat einzige Hoffnung. Bitte.» Sie klang wie eine Ertrinkende.
«Ach Mulan, wenn ich nur wüsste, wie ich helfen kann. Soll ich vielleicht mit meinem Freund Huimin sprechen?»
Das Entsetzen in ihren Augen war unübersehbar. «Nein, dieser Mann würde Mulan und ihren Tongren sofort zu Liu zurückbringen. Vielleicht will der Deutsche nicht helfen.»
Konrad Gabriel dachte nicht lange nach. Er griff nach ihrer Hand. Und diese Berührung durchfuhr ihn wie Feuer und Eis. Es war das erste Mal, dass er sie spürte. «Ich würde alles dafür geben, wenn ich etwas tun könnte», antwortete er leise.
«Vielleicht doch nicht, dies ist eine schlechte Frau.»
«Song Mulan, das werde ich niemals glauben!»
Er hätte am liebsten alles niedergerissen, was zwischen ihnen stand, diese unüberwindlichen Mauern der unterschiedlichen Lebensverhältnisse, der verschiedenen Kulturen, sie und ihren Sohn wie der Ritter in der goldenen Rüstung auf sein weißes Pferd gesetzt und wäre mit ihr davongeritten. Er kämpfte um die richtigen Worte. «Sie sind ein Mensch wie ein Edelstein, funkelnd, klar und wunderschön.»
Selbst im Halbdunkel war zu erkennen, dass sie errötete. Er hätte sie am liebsten in die Arme genommen. Doch sie kam ihm zuvor, erhob sich und kehrte mit ihrem kleinen Sohn im Arm zurück, der fest schlief. Sie hielt ihn an ihre Brust gedrückt. Konrad verstand, dass ihre Sehnsucht nach ihm ebenso groß war wie seine nach ihr. Dass sie das Kind geholt hatte, damit es eine Barriere zwischen ihnen und dem Verbotenen bildete, an das sie noch nicht einmal denken durften.
«Edelsteine nicht immer schön. Diamanten hart, können töten», antwortete sie schließlich, nachdem sie sich wieder gesetzt hatte. Er hatte das Gefühl, dass die Luft zwischen ihnen vibrierte, so stark waren seine Gefühle für sie.
«Ich glaube nicht, dass Sie fähig sind, einen Menschen zu töten.»
Sie schaute ihm jetzt in die Augen. Zum ersten Mal bei diesem Gespräch. Dann senkte sie die Lider sofort wieder. «Doch, diese Frau hat getötet. Einen gui zi, einen Fremden. Niemand weiß bisher.»
Er wollte etwas sagen, doch sie brachte ihn mit einer Handbewegung zum Verstummen. Anfangs sprach sie langsam, suchte nach den richtigen Worten. Dann erzählte sie immer schneller. Es war, als würde ein Damm bersten. Sie hielt sich nicht mehr mit der Suche nach den deutschen Worten auf, mischte Chinesisch darunter. Ein Geheimnis brach sich Bahn, innere Qualen, die für sie kaum erträglich gewesen sein mussten. Ihre Stimme blieb melodisch, ruhig. Sie spürte offenbar noch nicht einmal, dass sie weinte.
«War während des großen Aufstands in Beijing. Alles schreckliches Durcheinander. Aber kaum noch Yihetuan – Boxer – dort, viele arme Bauern. Waren in die Stadt gekommen mit Frauen und Kindern, hatten Hunger. A-Ting und diese Frau auch. Aus Jiaozhou, wo Heimat ist, Haus des Vaters. Dort ist niemand mehr, andere Leute leben im Haus. Song Laoye, Song Taitai und Bruder Song Gan, alle tot. Gibt nur noch Amah A- Ting und Song Mulan. Sind gegangen und suchten Chen Meili, sehr, sehr gute Freundin, Schwester, war versprochen Bruder Song Gan. Hatten Brief von ihr. Schrieb, sie in Beijing. So kamen wir dorthin. War sehr gefährliche Reise. Überall Banditen, Bauern, die töten. Auch Soldaten. Konnten nicht über Kanäle. Zu gefährlich, immer nachts unterwegs, auf Karren, Eseln. Nur zwei Frauen. Aber ich hatte Messer. Und Gift. Doch wir hatten großes Glück.»
Sie brach ab.
Konrad wartete.
«Dann, endlich in Beijing. Doch Chen Meili war verschwunden. Wir suchen und suchen, einfach nicht gefunden. Überall gefragt, auch bei Ballett. Meili hatte geschrieben, sie ist dort, sollte zu ihr kommen. Leute dort sagten, sie ist fort. Wussten nicht, wo. Sollten später noch einmal fragen. War auch nicht mehr – weiß nicht Wort: Lage von Haus?»
«Adresse?»
«Ja, bei Adresse, die im Brief stand. A-Ting und ich viel Hunger, hatten kein Dach, waren immer auf der Straße und arm. Konnten und konnten Fräulein Chen nicht finden. Mulan und A-Ting kein Geld mehr. Manche noch ärmer, kaum Kleider. Dachten, wir gehen zu Missionar, bitten um Essen. Fanden dann Gruppe chinesischer Christen, sagten, wir sind auch Christen. Meili ist Christin, hat mir später mehr über diesen Jesus erzählt. Die Leute haben geglaubt. War ihnen auch nicht
Weitere Kostenlose Bücher