Die Konkubine
es zu riskieren. Er musste mit Fauth sprechen, er hatte keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen.
Er legte Wang die Hand auf den Arm. «Komm mit mir, ich muss zuerst noch etwas regeln.»
Dieser schüttelte den Kopf. «Nicht kommen, zu gefährlich, würde Herrn Wang verraten. Komm jetzt.»
«Warte, ich komme so schnell ich kann. Wir treffen uns im Tempel der Himmelsgöttin.»
Wang Zhen nickte. «Schnell, ganz schnell.»
Konrad Gabriel rannte im Laufschritt zum Haus von Fauth, doch dieser war nicht da. Jetzt konnte er nur noch an einem Ort sein, dem Haus des Gouverneurs. Truppel hatte Fauth gerne in seiner Nähe, wenn er Besucher empfing. Und richtig, da sah er ihn gehen, er war schon fast an der Villa angekommen. Schwer atmend schloss er zu ihm auf.
«Gabriel, was ist denn mit Ihnen los? Sie sind ja völlig aus der Fasson. Das müssen Sie aber schnellstens ändern, in diesem aufgelösten Zustand können Sie nicht Wache stehen.»
«Ich kann nicht Dienst tun, ein dringender Hilferuf» – er brach ab.
Der kleine Mann wurde dienstlich. «Was denken Sie sich! Egal, welcher Hilferuf, Sie haben Ihren Dienst zu versehen.» Das schon bekannte Misstrauen keimte wieder in Fauths Augen. Es verstärkte sich noch, nachdem dieser gehört hatte, was auf dem Zettel stand. «Was soll das? Wer ist diese Mulan?»
«Eine Nebenfrau des Kompradors Liu Guangsan, die, die damals überfallen worden ist.»
Fauths Augen wurden rund und groß. «Sie meinen den Liu Guangsan? Soweit ich weiß, ist er ebenfalls zum Treffen beim Gouverneur geladen. Diese Mulan ist doch verschwunden, oder? Wir müssen ihm sofort Bescheid sagen.»
«Bitte, bitte nicht, ich habe keine Ahnung, was da los ist. Aber es ist bestimmt etwas Schlimmes. Sonst würde sie es nicht riskieren, einen Fremden um Hilfe zu bitten. Ich denke, wir sollten warten, bis wir wissen, worum es geht», flehte Konrad und hoffte inbrünstig auf zwei Dinge. Dass Fauth ihn vom Wachdienst entband und dass er die Angelegenheit zunächst für sich behielt. «Vielleicht will sie mir ja etwas mitteilen, was für das Schutzgebiet wichtig ist? Vielleicht sogar bezüglich der Waffenimporte.» Im gleichen Moment wünschte Konrad sich, er hätte die letzten Worte nicht gesagt. Doch er konnte sie nicht zurücknehmen.
Fauths Miene wurde womöglich noch düsterer. «Waffenimporte! So heißt das also jetzt. Sie haben also doch etwas damit zu tun.»
«Nein, ich schwöre, ich habe nichts damit zu tun! Das ist auch nur eine Vermutung! Bitte, ist es nicht möglich, jemanden anderes zur Wache einzuteilen?»
«Haben Sie etwa ein Verhältnis mit dieser Chinesin? Oder warum setzen Sie sich sonst so für sie ein?»
Konrad schüttelte den Kopf. «Nein, bei meiner Ehre, ich habe sie nur wenige Male gesehen. Ich weiß auch nicht, warum sie ausgerechnet meine Hilfe sucht. Es sei denn, sie hat wirklich etwas zu sagen, das die Kolonie betrifft.»
Das war zumindest fast wahr. Nein, er hatte kein Verhältnis mit der Guzheng-Spielerin. Aber er liebte sie. Das begriff er jetzt, da sie in Gefahr war, ganz klar und ohne jeden Zweifel. Sie war die Frau seines Lebens, seine erste wirkliche Liebe. Mit dieser Erkenntnis einher ging die Gewissheit, dass er zu ihr gehen würde, egal, ob sie ihn später wegen Fahnenflucht verurteilten oder nicht. Sie brauchte ihn. Er würde für sie da sein. Ihm wurde heiß. Der schwüle Junimorgen trieb ihm zusätzlich den Schweiß auf seine Stirn. Er versuchte es noch einmal. «Bitte, lassen Sie mich gehen. Vielleicht erfahre ich ja etwas sehr Wichtiges!»
Fauth musterte ihn einige Sekunden abwägend. Dann nickte er. Überzeugt wirkte er dabei jedoch nicht. «Gut. Ich decke Sie, Gabriel. Unter einer Bedingung: Sie melden sich unverzüglich bei mir, sobald Sie wieder zurück sind. Versprechen Sie mir das, Gefreiter, bei Ihrer Ehre.»
Konrad Gabriel salutierte. «Bei meiner Ehre.» Dann stürmte er davon.
Ein anderer Soldat hielt an diesem Nachmittag zusammen mit Eugen Rathfelder Wache vor dem Raum in der Gouverneursvilla, in den der Gouverneur zur Krisensitzung gebeten hatte. Zur Runde gehörten nicht nur die Männer des Kommandostabes, sondern auch einige einflussreiche Chinesen. Konsul Dr. Mertz, der Nachfolger des im Februar verstorbenen Konsuls Lange, war aus Tsinanfu angereist. Der Adjutant von Gouverneur Zhou Fu war ebenfalls anwesend. Hu Haomin würde von der Zusammenkunft der Gouverneure von Kiautschou und Schantung berichten. Diese hatten sich bereits Ende April getroffen,
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