Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
Vom Netzwerk:
Gesandtschaften war ein Ultimatum gestellt worden, sie sollten Peking verlassen. Das lief am Tag von Kettelers Tod aus. Dieser Freiherr war ein tapferer Mann, er hat möglicherweise Leben gerettet. Stellen Sie sich vor, man hätte die Gesandtschaften wirklich geräumt und ein langer Zug von flüchtenden weißen Kindern, Frauen und Männern wäre angegriffen worden! Und soweit ich weiß, war er an der Mauer überhaupt nicht dabei. Sie fallen aber auch auf jede Lüge herein. Dann hat sie Ihnen wahrscheinlich auch noch die rührende Geschichte vom getöteten Vater und dem Sohn erzählt.»
    «Nein, davon hat sie nichts sagt. Aber ich glaube nicht, dass sie lügt.»
    «So, ha, Sie glauben das nicht. Glauben das nicht. Ich werde Ihnen erzählen, was wirklich geschehen ist. Prinz Duan hat ein Kopfgeld ausgesetzt, eine Belohnung für jeden, der einen Fremden tötet.»
    «Wer ist Prinz Duan?»
    «Er ist ein hohes Tier im Tsungli Yamen und ein Fremdenhasser. Bei uns regen sich die Leute über die Hunnenrede von Wilhelm Zwo auf, aber sagen Sie selbst, ist das vielleicht besser?»
    «Wir sind aber in einem fremden…»
    «Gabriel, machen Sie sich nicht madig. Wollen Sie jetzt die Geschichte von dem Vater und dem Sohn hören? Es gibt einen Bericht der Gesandtschaft darüber. Also.»
    Konrad fragte sich wieder einmal, woher Fauth all sein Wissen hatte. Doch ihm war inzwischen klar, dass er auf diesbezügliche Erkundigungen ohnehin keine Antwort bekommen würde. So schaute er seinen Vorgesetzten nur an. Dieser verstand das als Aufforderung, weiter zu sprechen. «Am 12. Juni 1900, das ist der Tag dieses ominösen Vorfalls, begegneten Ketteler und seinem Übersetzer Cordes zwei uniformierte und mit kurzen Schwertern bewaffnete Boxer auf einem Karren, die in der Legationsstraße Angst und Schrecken verbreiteten. Sie hatten eindeutige Kennzeichen, die Haare in einem roten Kopftuch hochgebunden, um die Hand- und Fußgelenke rote Bänder, um die weiße Hose und das weiße Hemd ein leuchtend rotes Gürteltuch. Ich habe eine Abschrift des Berichtes der Gesandtschaft vom August gesehen. Demnach saß der eine rittlings auf der Deichsel und wetzte sein Messer am Stiefel. Ketteler griff beherzt ein und brachte den Wagen zum Stehen. Einen der beiden Männer konnte er mit Hilfe eines Kanzleibeamten festnehmen, ein Bursche von 17 Jahren. Der andere flüchtete. In der Tasche des Gefangenen fanden sich diese Talismane, die die Boxer angeblich vor Gewehrkugeln schützen sollen.»
    «Aber…»
    «Nix aber. So war es. Ketteler hat danach um den Besuch des Polizeipräsidenten Zhong Li gebeten. Er wollte ihn mit dem Gefangenen konfrontieren. Es hieß nämlich, Zhong unterstütze die fremden- und christenfeindliche Bewegung. Der Polizeipräsident bestritt jedoch alles und wollte den Jungen haben. Ketteler lehnte ab. Stellen Sie sich vor, noch am gleichen Abend fanden sich in einem Tempel Schriftstücke, die bewiesen, dass Zhong Li und andere hohe Beamte die Boxerbewegung sehr wohl unterstützten. Dieses Wissens wegen wurde Ketteler umgebracht, und auch weil ein chinesischer Prinz ein Kopfgeld auf Ausländer ausgesetzt hat. Alles andere sind üble Verleumdungen, die manche unserer alliierten auch noch genüsslich verbreiten, um dem Ruf der Deutschen zu schaden. Oder glauben Sie, die anderen sind überglücklich, dass wir nach China gekommen sind? Ha. Also sehen Sie, das ist nichts als ein Erpressungsversuch.»
    «Um Himmelswillen, nein! Sie hat nicht mit einem Wort angedeutet, dass sie der ganzen Welt diese Geschichte erzählen wird, wenn wir ihr nicht helfen. Ich denke aber, sie kann uns vieles berichten, was später in Verhandlungen mit China für die Kolonie von Nutzen ist. Weiß von Mumm ohne jeden Zweifel, was damals geschehen ist? Und wenn von Ketteler nun doch an der Mauer dabei war? Haben die Chinesen darüber vielleicht Unterlagen? Es muss Menschen geben, die den Vorfall miterlebt haben.»
    «Ich sagte es schon. Alles Lügenmärchen.»
    Konrad wusste nicht mehr, was er von all dem halten sollte. Ja, es stimmte schon, die Deutschen hatten sich in China durch die Besetzung der Bucht ziemlich unbeliebt gemacht. Sie wurden von den anderen Fremdmächten auch nur geduldet, weil es zwischen dem russischen Zaren und dem deutschen Kaiser eine Vereinbarung gab. Diese besagte, dass die Russen bei der Besetzung der Bucht von Kiautschou nicht eingreifen würden. War Ketteler nun ein Mörder, war all das nur eine üble Verleumdung? Oder versuchte

Weitere Kostenlose Bücher