Die Konkubine
hier jemand, eine peinliche Geschichte unter dem Deckel zu halten?
Er wurde das Gefühl nicht los, dass es hier eine Menge schmutziger Wäsche gab, die noch nicht gewaschen worden war. Aber er konnte sich nicht entscheiden, wessen Wäsche. Und welche schmutziger war.
Auch die anderen Nationen hatten Dreck am Stecken, insbesondere die Engländer. Man denke nur an den Opiumschmuggel. Es ging hier um das Ansehen seines Landes. Es gab ein undurchsichtiges Geflecht der wildesten Gerüchte um die Behandlung chinesischer Konvertiten beim Boxeraufstand, über Morde, Plünderungen und Strafaktionen, zum Beispiel bei Kaumi. Und damals, in Peking, sollen sich die Deutschen unter dem unnachgiebigen Feldmarschall von Waldersee besonders damit hervorgetan haben, «Exempel» zu statuieren. Es hieß, Waldersee sei in Deutschland wegen ungeschickter Äußerungen beim Kaiser in Ungnade gefallen und habe sich das Wohlwollen Wilhelms nun durch besonderen Eifer bei der Chinamission zurückerobern wollen. Gab es Kräfte, die hier einiges lieber im Dunkeln lassen wollten?
Da fiel ihm die Frage ein, die ihm Tang gestellt hatte. «Was habt ihr hier zu suchen?»
Ja, was hatten sie hier zu suchen? Das Privileg, im Chor der Mächtigen mitzusingen, den Platz an der Sonne, den von Bülow gefordert hatte? Handelsvorteile, große Gewinne? Bisher hatte das neue Schutzgebiet die junge Nation Deutschland jedenfalls weit mehr gekostet als eingebracht. Das sorgte in der Heimat immer wieder für Kritik. Die Frage rutschte ihm heraus: «Sagen Sie mir, warum sind wir hier? Was haben wir hier zu suchen?»
«Was wir hier zu suchen haben? Haben wohl mit Chinesen geredet, die finden, wir sollten zu Hause bleiben. Die klagen weinerlich über den europäischen und japanischen Imperialismus. Fragen Sie doch mal die Mongolen, die Turkvölker in Ostturkestan, was die über die chinesischen Besatzer denken!»
Ein Unrecht hob das andere nicht auf. Konrad verkniff sich diese Bemerkung. Er wollte Fauth nicht noch mehr reizen. Er konnte die Politik der Mächtigen nicht ändern. Aber er würde diese Frau retten. «Bitte, wir müssen ihr helfen. Dann hilft sie sicherlich auch uns.»
«So, meinen Sie. Also gut. Ich werde tun, was ich kann. Falls Truppel zustimmt, finden wir wohl einen sicheren Ort, an dem wir Ihre kleine Freundin unterbringen können.»
«Sie ist nicht meine kleine Freundin», widersprach Konrad. Selbst in seinen eigenen Ohren klang dieser Protest lahm.
Er ahnte nicht, dass Fauth mit Gouverneur Truppel längst andere Pläne geschmiedet hatte. Einen Ort finden, das ja. Dort konnte sie dann verhört werden. Danach würde man die Frau an Liu zurückgeben. Der Komprador war sicher dankbar. Selbst wenn Liu hinter den Waffenschiebereien steckte, die Deutschen brauchten ihn und seine Kontakte. Wahrscheinlich mehr als der Komprador sie. Das wusste Liu genau. Deswegen erlaubte er sich Dinge, die die Herren in Berlin besser nicht erfuhren. Eine Hand wusch die andere. Das war überall so.
Also bekam Konrad die Erlaubnis, Mulan zu holen, und das Versprechen, dass man sie an einen sicheren Ort bringen würde.
Doch nicht Konrad, sondern Tang Huimin holte Mulan ab. Das war Yu Tings Werk. Wang hatte ihr von der Begegnung des deutschen Soldaten mit dem Maiban erzählt. Das machte die Alte misstrauisch. Ihre kleine Magnolienblüte war verblendet, dachte, sie liebe den Deutschen. Doch man konnte keinem Fremden trauen. Tang Huimin, ja, zu ihm würde sie gehen. Er liebte ihre Kleine, ihr Kind wirklich. Er würde sie nicht verraten.
Yu Ting führte den jungen Herrn Tang und seine Leute in Wang Zhens Haus. Dieser verbeugte sich ehrerbietig vor dem Besucher. Dann wies er stumm auf den Vorhang, hinter dem Mulan gerade ihren Sohn stillte. Tang Huimin legte den Finger auf die Lippen und setzte sich. So warteten sie, bis Mulan in den mittleren Raum kam.
Als sie den Vorhang zur Seite schob und Tang erblickte, zuckte sie zusammen. Sie war zu Tode erschrocken. Der Deutsche hatte sie also doch verraten! Fieberhaft überlegte sie, wie sie mit ihrem Sohn flüchten konnte. Dann sah sie Yu Ting neben Huimin sitzen und verstand. «Du hast ihn also hergebracht.» Sie sagte dies ganz ruhig, ihre Angst, ihre Verletztheit über den erneuten Verrat der Frau, der sie über so viele Jahre blind vertraut hatte, waren ihr nicht anzumerken.
Zu Mulans Verblüffung strahlte Yu Ting über ihr ganzes Gesicht. «Ja, und der junge Herr Tang ist gekommen, um uns zu retten. Wir können hier
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