Die Konkubine
er behauptete? Immerhin hatte der Mann dann wichtige Erkenntnisse weitergegeben. Er hätte sie auch für sich behalten können. «Gut, ich werde Sie nicht verraten. Keine Sorge. Danke, Kamerad.»
Nummer n salutierte. Als er ging, hatte er ein kleines Briefchen an Mulan in der Tasche, geschrieben in ungelenken Zeichen. «Kann nicht kommen, Konrad.»
Nummer n lieferte den Brief direkt bei Herrn Liu ab. Dieser belohnte ihn großzügig. Chinesenpolizist Nummer n hatte seine Aufgabe hervorragend gelöst.
Konrad seinerseits begab sich sofort zu Fritz Fauth, um ihm die Neuigkeiten mitzuteilen. Auf die Frage, woher er sie hatte, griff er zu einer Notlüge. «Von einem fremden Chinesen, der an mein Fenster geklopft hat. Gerade eben. Ich kenne ihn nicht. Er ist sofort wieder verschwunden. Ich bin ihm noch nachgelaufen, konnte den Mann aber nicht mehr finden.» Er hoffte, das klang glaubwürdig. Ihm war nicht wohl dabei. Fauth zog ein finsteres Gesicht.
Der Gefreite Gabriel bekam nicht viel Schlaf in dieser Nacht. Als Josef Schöller, der Polizeichef von Tsingtau, und seine Begleiter nach weiteren Besprechungen zur veränderten Sachlage wieder gegangen waren, dämmerte bereits der Morgen herauf. Die Untersuchung der Angelegenheit sollte auf Befehl des Gouverneurs so diskret wie möglich vonstatten gehen. Es musste auf jeden Fall vermieden werden, dass auf den guten Ruf der Marine in Tsingtau ein Schatten fiel. Es war das alte Lied: Die Herren des Kolonialamts im Auswärtigen Amt warteten nur auf solche Gelegenheiten, in der Hoffnung, der Marine schwere Schnitzer nachweisen und dann die Verwaltung der Kolonie selbst übernehmen zu können. Das ging so, seit die Schiffe in der Bucht von Kiautschou eingelaufen und die Soldaten an Land gegangen waren.
Fauth und Konrad waren hundemüde, als sie in den Zug kletterten. Im Waggon würden sie genügend Gelegenheit bekommen zu schlafen: 395 Kilometer in schätzungsweise vier Tagen.
Sie mussten in Tsching tschou die Fahrt für einen Tag unterbrechen und konnten sich die Füße vertreten. Im Zug hatte er von Fauth erfahren, dass dort etwa 35.000 Menschen lebten, Hauptausfuhrprodukte waren Walnüsse und Seide. Eine breite chausseeartige Straße führte vom Bahnhof in die Stadt und durchquerte sie. Inmitten des Stadtzentrums lag das Areal der American Presbyterian Mission mit Schule sowie das Priesterseminar und das Hospital. Einige Stunden verbrachten sie in einem Museum, das laut Eigenwerbung jährlich rund 70.000 chinesische Besucher anlockte.
Die ummauerte Mandschu-Stadt, die etwa zwei bis drei Kilometer von der Chinesenstadt entfernt lag, mieden sie. Die Einwohner bestanden fast nur aus Soldaten und ihren Familien. Huimin hatte ihm erklärt, dass die meisten Mohammedaner waren, Abkömmlinge von Turkvölkern, deren Vorfahren als Soldaten ins Land gekommen waren, als die Mandschu den chinesischen Kaiserthron bestiegen. Mandschufrauen banden ihre Füße nicht, das wusste Konrad. Er hatte sie auch im Stadtbild von Tsingtau schon gesehen. Sie fielen sofort durch ihre dicksohligen Stiefel auf, die langen, ungeteilten Gewänder und den seltsamen Aufbau ihres Kopfputzes.
Da sie einige Zeit Aufenthalt hatten, ehe die Reise weiterging, mieteten sie sich eine Rikscha und verbrachten einige Stunden in der herrlichen Tempelanlage des großen Klosters Tsching lung tse. Es tat gut, einfach dort zu sitzen, die murmelnden Stimmen der Mönche zu hören, die Gongs, die zum Gebet riefen. Fauth war nicht sehr gesprächig, und auch Konrad hatte nicht viel zu sagen. So gingen sie einfach nebeneinander durch die Gärten und den kleinen Wald, der zu dem Kloster gehörte.
Am meisten beeindruckt war Konrad allerdings von den Erdpyramiden in der Nähe der Stadt, den Gräbern früherer Könige. Fauth behauptete, dass hier angeblich die Hauptstadt der alten Fürsten von Tsi gewesen war. An deren Hof habe Konfuzius einst geweilt und die berühmte Schaomusik gehört. Deren Klänge hätten ihn so ergriffen, dass der Weise darüber drei Monate lang den Geschmack des Fleisches vergaß. Manchmal fragte sich Konrad schon, woher Fauth all diese Weisheiten hatte. Später las er im Stadtführer nach, der möglichst viele Besucher für Tsingtau und Umgebung begeistern sollte, und stieß dort auf eben diese Geschichte.
An diesem Tag erfuhr er noch mehr. «In dieser Gegend soll auch der berühmte Schneepalast gestanden haben, in dem dieser Menzius ein angeblich denkwürdiges Gespräch mit dem König von Tsi hatte.
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