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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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gedämpftes Weizenbrot, sie nennen es Mantou, dazu diesen Sojabohnenkäse und Bohnen- oder Hirsesuppe. An Festtagen gönnen sie sich Nudeln, rohen Fisch, gekochte Innereien oder Bohnensprossen. Nun schauen Sie nicht so, Gabriel. Wir Deutschen haben die Wanderarbeit nicht erfunden. Das gab es hier auch schon früher. Und in der Heimat haben wir ebenfalls Menschen, die von sehr wenig leben müssen.»
    Als ob er das nicht wüsste! Er war zwar erst sechs Jahre alt gewesen, als nach dem Vater auch die Mutter starb, doch er erinnerte sich gut, wie schwer es für Martha damals gewesen war, die kleinen Geschwister mit ihrem Verdienst als Weißnäherin und Waschfrau durchzubringen. Manchmal war sie vor Müdigkeit am Küchentisch eingeschlafen. Viele der Arbeiter sahen ebenso erschöpft aus. Sie bekommen keine Zeit für Pausen, dachte Konrad. Er wurde an seine eigene Müdigkeit erinnert. Sein Rücken und das Hinterteil schmerzten vom Rütteln der Bahnfahrt und den harten Bänken. Beim Anblick dieser jämmerlichen Gestalten verkniff er sich jedoch jegliches Selbstmitleid.
     
    Das Spektakel begann nach chinesischer Sitte: laut. Mit einem Tross samt Tragsänfte sowie bewaffneter Begleitung zu Fuß und zu Pferde war ihnen Major Hu Haomin entgegengereist und bereitete ihnen strahlend einen prächtigen Empfang. Er ließ sogar Böller und Feuerwerkskörper abbrennen.
    «Als ob ich der Gouverneur von Kiautschou selbst wäre», murmelte Fauth, stolzierte noch gerader einher und zwirbelte gerührt an seinem Schnurrbart. Hu stieg vom Pferd. Wie schon beim ersten Mal umarmten sich die beiden Männer. Konrad nickte der Chinese nur kurz zu.
    Der Adjutant von Gouverneur Zhou Fu hatte eine zweite Sänfte samt Trägern für die deutschen Besucher mitgebracht. Das war in jedem Fall bequemer als ein Karren. Es ging gehörig in die Knochen, wenn die großen, mit Eisen beschlagenen Räder über die unebenen Straßen holperten. Unter dem tonnenförmigen und zumeist mit blauem Tuch bespannten Aufbau saß man nicht sehr bequem. Wenn es bei der Fahrt viel bergauf ging, zogen statt einer auch einmal zwei abgemagerte Mähren das Gefährt. Die Tiere reagierten auf dauerndes Schlagen mit höchstens ein paar Schritten Trab. Der Pferdeknecht, der zu Fuß ging, wickelte dann sofort den Schwanz des Tieres um seine Hand und ließ sich mitziehen. Das wiederum sorgte dafür, dass die Pferde in ihrem Bemühen um mehr Geschwindigkeit nachließen. Konrad hatte solche Szenen immer wieder beobachtet.
    Die deutsche Verwaltung hatte auf die Witterungs- und Bodenverhältnisse im Schutzgebiet schnell reagiert und die Straßen von Tsingtau deshalb für die hochrädrigen, ungefederten Gefährte an den Rändern mit Granitplatten auspflastern lassen. Dazwischen lag Schotter, der bei den am meisten befahrenen Straßen allerdings schon einer Pflasterung samt Gehweg gewichen war. Die Straßen von Tsingtau waren breit, zum Teil richtiggehende Prachtalleen mit Bürgersteigen, an deren Rand man Bäume gepflanzt hatte.
    Hier jedoch war das anders, Konrad sah unzählige Matschlöcher: eine schlechte Zeit für Karren. Der Tragstuhl versprach also einen angenehmeren Transport.
    Der Zug legte trotz der schlechten Straßenverhältnisse ein gehöriges Tempo vor. Die Fahnenträger, die voraustrabten, signalisierten unmissverständlich jedem, dass hier ein Tross des Gouverneurs unterwegs war und alle anderen Platz zu machen hatten. Ein alter Bauer schaffte es gerade noch, rechtzeitig zur Seite zu kommen.
    Konrad empfand diese Art der Fortbewegung als angenehme Abwechslung nach der langen Zugfahrt. An das Schwanken hatte er sich schnell gewöhnt, der Tragsessel bot einige Annehmlichkeiten. Er konnte sich sogar aus dem Teetopf eine Tasse Tee einschütten. Die Tassen standen auf einem Querbrett vor der Sänfte. Fauth knackte dazu hingebungsvoll Melonenkerne, eine Kunst, in der sein Begleiter noch einiges zu lernen hatte. Konrad gab schließlich auf und konzentrierte sich auf Tsinanfu.
    Die Stadt lag am Fuß des Tausendbuddhaberges, eine Erhebung mit Tempeln und Klöstern im Süden. Von Fauth erfuhr Konrad, dass dort zahlreiche Quellen entsprangen. Das Wasser floss durch die Stadt und sammelte sich im Norden in einem «Lotossee» – «einer Stätte des Müßiggangs für die vornehme Jugend», wie Fauth dünnlippig feststellte. Der See hatte offenbar Stationen auf kleinen Inseln, auf denen Gedächtnishallen für berühmte Männer der Vorzeit und Ahnentempel erbaut worden waren, wo Musik

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