Die Konkubine
aus Chinesisch, durchsetzt mit einigen deutschen Sprachbrocken, die sie inzwischen gelernt hatte. Manchmal gab es Missverständnisse, über die sie wie ein kleines Mädchen lachen konnte. Konrad Gabriel war überglücklich, dass sie sich bemühte, seine Muttersprache zu studieren. Bewies das denn nicht, dass ihr auch etwas an ihm liegen musste?
Sie winkte der Amah. «A-Ting, besorge uns eine Rikscha.» Als sie sich trennten, war ihm, als sei etwas ungeheuer Kostbares aus seinem Leben verschwunden.
Sie hatten keinen Zeitpunkt für ein Wiedersehen vereinbart. Doch Mulan hatte versprochen, ihm rechtzeitig eine Nachricht zu senden, wenn sie den Tempel besuchen wollte. Es war ihm schwergefallen, seine Ungeduld zu zügeln und nicht auf ein schnelles Wiedersehen zu drängen. Er fürchtete, sie dadurch ganz zu vertreiben.
Nach diesem Treffen schrak er nachts immer wieder schweißgebadet aus dem Schlaf hoch. Er schrieb es der Sommerschwüle zu.
Kurz danach öffnete der Himmel seine Schleusen, der Huang-Fluss drohte erneut über die Ufer zu treten. Viele der chinesischen Kulis und Dienstboten verschwanden über Nacht, um ihren Familien bei der Ausbesserung der Dämme zu helfen, die Gouverneur Zhou Fu angeordnet hatte und persönlich überwachte. Die deutschen Dienstherren waren nicht begeistert, hielten sich aber zurück. Niemand wollte das Risiko erneuter Hungersnöte eingehen – die vielleicht sogar das Aufflammen der Aufstände zur Folge hätten. Wie schon einmal, als einige Jahre zuvor die Maßnahmen zum Hochwasserschutz vernachlässigt worden waren und es zur Katastrophe gekommen war.
Und dann entdeckten sie das Waffenlager.
Kapitel 11
BERGWERKSDIREKTOR ULRICH ROTTMEYER wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war heiß. Bereits die Chinesen hatten in den mächtigen Flözen von Fang tse Steinkohle gegraben. Die kohlehaltigen Gebirgsschichten fielen flach von Norden her ins Gelände und waren von grauweißem Basalt durchzogen, der die Kohle an den Druckflächen zum Teil in Koks verwandelt hatte. Der Geograph Ferdinand von Richthofen hatte dieses ergiebige Abbaugebiet im April 1869 bei einer seiner Rundreisen besucht. Er hatte nach seiner Chinareise eine Beschreibung mit Landschaftsprofil veröffentlicht. Vieles von seinen Vorschlägen war inzwischen umgesetzt.
Jetzt herrschte hier die Schantung-Bergwerksgesellschaft über ein Heer von Kulis, dürre Gestalten, die Gesichter und die Lungen schwarz vom Kohlenstaub. Sie arbeiteten bis zu 15 Stunden täglich für einen Monatslohn von sechs bis sieben Dollar. Einen Teil davon mussten sie an die chinesischen Vorarbeiter abliefern, um überhaupt Arbeit im Bergwerk zu bekommen.
Rottmeyer erinnerte sich gut, welcher Triumph es gewesen war, als am 30. Oktober 1902 der erste, mit 150 Tonnen Steinkohle beladene Zug in Tsingtau eingelaufen war. Sogar die Militärkapelle hatte gespielt. In diesem Jahr würden sie wahrscheinlich gut 38.000 Tonnen fördern. Im nächsten sollte ein zweiter Förderschacht in Betrieb gehen. Falls alles lief wie geplant.
Bei den Flözen und Abraumhalden patrouillierten bewaffnete chinesische Soldaten. Nach den Boxer-Aufständen vor rund drei Jahren ging die Bergbaugesellschaft auf Nummer sicher. Trotzdem gab es immer wieder Fälle von Sabotage. Damit hatte Rottmeyer inzwischen umzugehen gelernt. Das hier war schlimmer.
Fritz Fauth deutete mit einem Ausdruck von Abscheu auf die gestapelten Waffen. Schon vor zwei Jahren, während der Aufstände, hatte es Waffenschiebereien gegeben. Doch diese Menge übertraf alles Bisherige. «Wann haben Sie das gefunden?»
Repetiergewehre, Hinterlader, Maschinengewehre, Lugerpistolen, Pulver – es war alles da, was das Herz eines Kommandanten erfreute, der sich auf einen Kriegszug vorbereitete. Manche stammten aus englischer, amerikanischer oder russischer Produktion, die meisten jedoch aus deutscher. Auf vielen der Munitionskisten prangte der Kaiseradler. Jede Waffe war sorgsam in gummiertes Papier gewickelt worden, um sie vor Nässe zu schützen.
Rottmeyer wischte sich erneut den Schweiß ab. Das Wasser tropfte von der Decke, es war schwül in diesem alten Schacht rund vierzig Meter unter der Erde. Sie standen bis zu den Knöcheln im Schlamm. «Normalerweise kommt während der Regenzeit niemand hierher, die Schächte laufen voll, es ist zu gefährlich.»
Fauth antwortete zunächst nichts, er schien noch immer fassungslos zu sein. Dann wandte er sich zu Konrad um. «Nehmen Sie sich einen der beiden
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