Die Korallentaucherin
ihr.«
Jennifer ließ ihre Tasche zurück und ging zur Rezeption, um einen Platz auf dem Katamaran zu buchen und Rosie zu besuchen. Sie fühlte sich sehr niedergeschlagen; ihr Herz war schwer, ihr war übel, und sie war zu traurig, um weinen zu können. Was war aus ihrem Leben geworden? Sie erwartete ein Kind, sie hatte kaum eigenes Geld, die Beziehung zu ihrem Mann hatte einen katastrophalen Riss bekommen, und sie hatte keine Ahnung, was aus ihr, aus ihnen beiden werden sollte.
Rosie unterhielt sich im Rezeptionsbereich mit einigen Gästen. Jennifer wartete, bis sie einem Ehepaar den Weg erklärt hatte, dann kam Rosie mit besorgter Miene auf sie zu.
»Du siehst so traurig aus, Süße. Wie steht’s mit Blair? Wie war euer Abendessen? Was habt ihr vor?«
»Nichts«, sagte Jennifer betrübt. »Ich hatte das Gefühl, endlich Ordnung in mein Leben bringen zu können. Ich wollte den Kurs bei Mac belegen, mit Tony, Isobel und Gideon das Buch schreiben. Und jetzt« – sie zuckte die Schultern – »fahre ich aufs Festland zu meiner Mutter und weiß nicht, ob ich überhaupt zurückkommen sollte.«
»Mach ein paar Tage Pause und warte ab, wie du dich dann fühlst.«
»Jetzt ist nicht der richtige Augenblick für einen Besuch bei meiner Mutter.«
Rosies Stimme klang streng. Am liebsten hätte sie Jennifer geschüttelt. »Hör mal, du darfst dich nicht unterkriegen lassen. Ich weiß, du bist verletzt und traurig, und sie wird es sofort merken. Warum änderst du nicht deine Einstellung? Statt das Schlimmste zu erwarten, nimm deine Situation als neuen Anfang. Lass deine Mutter an dem Kind teilhaben.« Rosie unterbrach sich, denn Jennifer wirkte nicht sehr überzeugt.
»Und dann? Wo soll ich leben, was soll ich tun, Rosie?« Sie war schon wieder den Tränen nahe.
»Willst du in der Suite wohnen bleiben?«
»Eigentlich nicht, nein, danke. Ich halte mich aber auch äußerst ungern in unserer Wohnung auf. Ich kann … sie dort irgendwie zusammen spüren.«
Rosie ergriff ihren Arm. »Sprich mit Mac. Ich werde auch mit ihm reden. Und hör zu, mir stehen noch zwei Tage Urlaub zu. Den nehme ich morgen, dann treffen wir uns in Headland Bay. Gehen zusammen essen. Und du lernst Beverly kennen, meine Partnerin.«
»Rosie, das wäre prima. Du kannst meine Mutter kennenlernen.« Sie brachte ein Lächeln zustande.
»Einverstanden. Ich rufe dich morgen an. Mach dir keine Sorgen. Du darfst das Baby nicht aufregen. Willst du es Blair sagen, oder soll ich es ihm ausrichten?«
»Er hat mir eine Nachricht hinterlegt. Er rechnet mit meiner Fahrt nach Headland. Mehr gibt es nicht zu sagen. Außerdem will ich nicht, dass er … für die Zeit meiner Abwesenheit Pläne macht.«
»Das wagt er nicht. Keine Sorge, ich rede mit Mac und frage ihn, ob er dich in der Station unterbringen kann. Sie haben reichlich Studentenunterkünfte, halten aber immer ein paar Räume frei für ihren VIP -Besuch. Wie Tony. Ich würde dir ja gern die freie Wohnung neben Blair anbieten, aber das erscheint mir doch irgendwie unsinnig. Keine Angst, bis zu deiner Rückkehr ist das alles geregelt.«
»Vielen, vielen Dank, Rosie.« Ihre tatkräftige Hilfe, ihre Freundschaft bedeuteten Jennifer sehr viel. »Würdest du Mac bitten, Isobel zu informieren?«
»Klar doch. Komm, jetzt essen wir eine Kleinigkeit zu Mittag, und dann nimmst du den Katamaran.«
»Gute Idee. Ich habe noch nicht mal gefrühstückt.« Es ging Jennifer schon um einiges besser.
Rudi spähte ins Mikroskop und sah zu, wie die Zellen auf dem Glasträger verschmolzen und die Farbe wechselten. Er notierte die Aktivitäten und zuckte zusammen, als von der Tür her eine Stimme ertönte.
»Darf ich reinkommen?«
»Äh, ja, klar doch. Was kann ich für Sie tun?« Rudi sah den jungen Mann an, den er nicht einordnen konnte.
»Wir kennen uns noch nicht, Dr.Orlov. Ich bin der Neue, Gordon Blake.«
Für seine Jugend war er äußerst selbstsicher, fand Rudi. Er hatte einen deutlichen britischen Oberschichten-Akzent. »Sind Sie Student?«
»Nein, ich arbeite eine Zeitlang in der Ferienanlage. Eine Art Sabbatjahr. Wie ich höre, fraternisiert man dort kaum mit Ihrer Station.« Er lächelte entwaffnend. »Aber ich interessiere mich brennend für Ihre Forschungsarbeit. Können wir uns, sofern ich Sie nicht störe, ein wenig unterhalten? Ich habe im Internet über Ihre Arbeit gelesen.«
»Ah, Sie sind also doch Student. Und wo …?«
»Ich besuche die Universität von London … Ich reise ein wenig
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