Die Korallentaucherin
Ergebnisse klaut, kopiert oder in Misskredit bringt. Ich weiß wohl, dass ihr alle euch qualifizieren, euch einen Namen machen und Arbeit finden wollt, aber wir dürfen nicht den Hauptgrund unserer Entscheidung für die Arbeit in der Meeresforschung vergessen.« Er blickte von einem zum anderen, und Carmel hob ihren Kaffeebecher.
»Auf die Weltmeere!«
»Auf das Riff«, sagte Rudi. »Möge es überleben.«
»Angesichts der derzeitigen Zerstörungsrate bleiben ihm noch dreißig Jahre«, sagte Mac. »Gut, lasst uns jetzt über Isobel Belitas und ihre Arbeit sprechen. Sie hat um freiwillige Assistenten gebeten und hofft auf Akkreditierung und Anerkennung für ihre Untersuchungen jenseits des Riffs.« Rund um den Tisch schossen die Hände in die Höhe.
»Sie denkt doch nicht an wirklich tiefe Tauchgänge in Gideons Haimobil, oder?«, fragte Tony.
»Bis zu zweihundert Meter, ja, jenseits des Riffs bis zu tausend Meter, und sie bringt die Sea-Life aus den USA rüber. Was Hawkes und Co. da entwerfen, ist schon ziemlich revolutionär.«
»Himmel, das ist eine der am weitesten entwickelten Tauchkapseln der Welt. Das kostet doch Millionen!«, rief Andy.
»Sie erhält massive Unterstützung von Institutionen und Privatstiftungen«, sagte Rudi.
Mac sagte ruhig: »Wie ihr wisst, beträgt die Tiefe des Pazifischen Ozeans durchschnittlich viertausendundzweihundert Meter, und der Großteil davon ist unerforscht. Interessiert sind zunächst einmal kommerzielle Unternehmen – Fischerei, Energie, Öl und Gas, Biochemie. Doch die Forschung muss hier sensibel und kooperativ vorgehen. Die Zeiten, in denen man im Great Barrier Reef nach Öl, Mineralien und Kalk für die Zuckerrohrfelder gebohrt hat, sind vorbei.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen am Tisch. Rudi brach es als Erster. »Das ist ein weites Feld mit zahllosen Möglichkeiten. Ein bisschen wie die Eroberung des Weltraums. Ein Universum voll fremdartiger Wesen, unbekannter geologischer Erscheinungen, uralter Schiffswracks und sogar voller Hinweise auf den Ursprung des Lebens.«
»Das ergab die Studie, die viele Milliarden alte, mikroskopische archaische Lebensformen in alter Lava gefunden hat, nicht wahr?«, bemerkte Kirsty.
»Ja. Und was Isobel und andere in erster Linie verhindern wollen, ist, dass die Industrie die Wissenschaft überholt. Deshalb müssen Menschen wie wir an der Entdeckung der Tiefsee beteiligt sein.«
Tony saß da, den Stift in der Hand, zu fasziniert, um sich Notizen zu machen. »Das ist wahrhaftig eine tolle Story. Aber wisst ihr, was mich am meisten interessiert? Nicht die kommerziellen oder wissenschaftlichen Erwägungen, sondern das Leben im Meer. Was für Wesen, Lebensformen, dort unten zu finden sind.«
»Wir können nur Vermutungen anstellen. Einige wenige kennen wir – Riesenkraken und Quallen, gewaltige Aale, bizarre Fische und natürlich die Haie«, sagte Rudi.
»Haie dort unten in der Tiefsee?«, fragte Tony.
»Sie haben keine Schwimmblase, wodurch sie sich in der Tiefe leichter fortbewegen können. Unvorstellbare Wesen. Es ist eine merkwürdige Welt dort drunten. Wir könnten dort eine Entsprechung des Monsters von Loch Ness oder den Schlüssel zu unserer Zukunft finden«, sagte Mac.
»Das ist eine Menge, worüber ich nachdenken muss«, sagte Tony.
»Wenn du Fragen hast, Tony, wende dich an mich. Ich tu mein Bestes, aber auf diesem Gebiet gibt es keine Experten!«
»Die ersten Forscher dort unten werden die Experten sein«, sagte Tony.
Jennifer ging vom Anleger aus zwei Häuserblöcke bergauf zu Fuß. Ein Blick auf die Adresse auf dem Zettel in ihrer Hand verriet ihr, dass Christina in dem cremeweißen Backstein-Apartmenthaus mit dem Namen »Ocean Tide« wohnte. Sie durchschritt das Foyer, passierte die Briefkastenanlage und fand die Klingel neben der Nummer acht. Das metallische Summen wurde von Christinas Stimme unterbrochen.
»Ja? Wer ist da?«
»Ich. Setz schon mal den Wasserkessel auf.«
»Du hättest vorher anrufen können! Ich sehe schrecklich aus. Komm rauf, komm rauf. Wenn du aus dem Lift steigst, links.« Ein Lachen klang in ihrer Stimme mit. Sie freute sich.
Christina stand an der Tür und blickte Jennifer entgegen, als sie den Flur entlangkam. Beide musterten einander flüchtig. Jennifer staunte, ihre Mutter in leuchtend orangefarbenen Shorts und orange-weiß geblümtem T-Shirt zu sehen.
»Dreh dich zur Seite, lass mich deinen Bauch sehen. Warum trägst du ein Männerhemd? Hast du keine hübschen
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