Die Korallentaucherin
Nachuntersuchungstermine auf der Insel festzulegen.
Jennifer lud die Lebensmittel ins Auto und beschloss, zu Fuß zum italienischen Gemüsehändler zu gehen und frisches Obst und Gemüse zu besorgen. Ihre Mutter kaufte viel zu viele Konserven. Der Gemüsehandel befand sich in einer Einkaufsstraße mit einem Deli, einer Bäckerei und einem Café mit Tischen auf dem Gehsteig. Jetzt um die Mittagszeit war es gut besucht. Jennifer ließ den Blick müßig über die Tische schweifen und blieb stehen, als sie eine bestimmte Gruppe entdeckte.
In einer Ecke unter einem Schirm erkannte sie Tony, obwohl er ihr den Rücken zukehrte. Er war in ein Gespräch mit Fanzio und Holding vertieft. Als Tony ihr die letzte E-Mail schickte, hielt er sich noch in seinem Strandhaus weiter oben im Norden auf. Wieso war er jetzt hier? Warum hatte er keinen Kontakt zu ihr aufgenommen, und warum hockte er mit diesen Männern zusammen? Natürlich wusste er nicht, dass sie sich auf dem Festland aufhielt, aber trotzdem rückte Jennifers Abneigung gegen diese beiden aalglatten Manager Tony in ein schlechtes Licht.
Mit abgewandtem Gesicht lief sie an ihm vorbei und hoffte, dass er sie nicht bemerkte.
Christina erholte sich rasch und bestand sogar darauf, Jennifer zum Tennisclub mitzunehmen, damit sie ihre Freunde kennenlernte. Jennifer willigte ein und hoffte, dass sie dem Mann begegnete, der es auf ihre Mutter abgesehen hatte. Christina prahlte mit Jennifer, bauschte die Bedeutung ihrer Forschungsarbeit auf, ihren Mut und ihren Unternehmungsgeist – »sie lebt auf einer fast verlassenen Insel und ist obendrein noch schwanger! Ihr solltet mal hören, was sie alles erlebt. Da spielt sich auch eine großangelegte Unterwasser-Spionageaktion mit U-Boot ab, nicht wahr, Liebes?«
»Nicht ganz, es handelt sich um eine ozeanographische Erhebung, ausgeführt von einer der besten Meeresbiologinnen der Welt.«
»Ach, diese Frau«, sagte Christina abschätzig. »Du liebe Zeit, so was wird doch alle naselang von irgendwelchen Leuten gemacht.« Christina war auf Anhieb Expertin für jedes Thema, das angesprochen wurde. Und irrte sich stets.
»Ich dachte, auf Branch Island gäbe es diese phantastische Ferienanlage«, sagte einer der Männer.
»Ja.« Jennifer lächelte. »Mein Mann, na ja, bald ist er mein Exmann, arbeitet dort. Ich lebe bedeutend bescheidener in einer Unterkunft in der Forschungsstation.« Sie hielt inne, als sie die schockierten Gesichter um sich herum bemerkte und den wütenden Gesichtsausdruck ihrer Mutter.
»Exmann? Du und Blair …?« Die Frage einer der Frauen hing in der Luft, und alle lauschten mit großem Interesse. Christina, die gern mit ihrer Tochter angab, hatte nie etwas von der Trennung erwähnt. Ihre Mutter machte sich an der Teekanne zu schaffen und kehrte der Gruppe den Rücken zu.
Jennifer zuckte so gleichmütig wie möglich die Schultern. »Es ist traurig und schwierig, aber wir hielten es für das Beste, da unsere beruflichen Laufbahnen und unser jeweiliges Leben in völlig verschiedene Richtungen gehen. Wir sind Freunde, und Blair wird am Leben des Kindes teilhaben. So etwas passiert nun mal …« Ihre Stimme erstarb, als die Mienen der Freundinnen ihrer Mutter sich nicht veränderten. Nach einer verlegenen Pause begannen alle gleichzeitig zu reden, dann wurde der Tee serviert.
Vierundzwanzig Stunden später fuhr Jennifer an die Küste, blieb in ihrem Wagen sitzen und betrachtete die Boote. Sie war aufgewühlt und hoffte, dass die Szene sie beruhigte, bevor sie in die Wohnung ihrer Mutter zurückkehrte.
Christina war wieder auf den Beinen. Der Arzt hatte ihr ein paar Aufbaupräparate verschrieben, sie aber für völlig gesund erklärt. Sie stellte Listen mit Babyartikeln auf, Listen über das, was Jennifer ins Krankenhaus mitnehmen sollte, und über Lebensmittelvorräte für die erste Zeit nach der Geburt. Die Vorstellung, vierzig Tage und Nächte mit einem Neugeborenen in der Wohnung ihrer Mutter zubringen zu müssen, behagte Jennifer nicht, und sie entschied, Christina erst bei ihrer Abreise mitzuteilen, dass sie nach der Geburt auf die Insel zurückkehren wollte.
Doch jetzt hatte sich alles geändert. Diesmal war der Arztbesuch nicht so erfreulich verlaufen und hatte eine unangenehme Überraschung gebracht.
»Jennifer, es liegt kein Grund zur Panik vor, aber angesichts dieser drei Probleme, die mir Sorgen bereiten, möchte ich Sie in der Nähe haben, damit Sie sofort behandelt werden
Weitere Kostenlose Bücher