Die Korallentaucherin
benachrichtigen, bevor sie zu weit weg sind.« Er sah ihr ins Gesicht. »Hab keine Angst. Wir warten diese Nacht einfach ab. Hm, geht’s dir gut? Ich weiß, diese Sache kann einem Angst machen.«
Sie schüttelte den Kopf, nein. Dann nickte sie: Ja.
»Was fehlt dir, Jen?«
»Ich glaube, ich habe Wehen. Es ist zu früh.« Sie sah Tonys entsetzte Miene und fügte hinzu: »Es könnte auch nur falscher Alarm sein.«
»Wir können nicht warten, bis wir Genaues wissen. Zum Teufel mit dem Wetter.« Er schlug mit der Hand auf den Tisch. »Ich wollte dich nicht erschrecken, aber ein weiteres Sturmtief steht bevor. Es könnte eine harte Nacht werden.«
»Ich kann hier nicht bleiben! Können wir nicht zurücksegeln?« Jennifer wusste inzwischen mit Sicherheit, dass es sich nicht um falschen Alarm handelte. Jede Faser ihres Körpers war auf die Geburt eingestellt.
»Nein. Das ist zu gefährlich. Bist du denn sicher? Es könnte doch noch einen ganzen Tag dauern, nicht wahr?«, fragte er hoffnungsvoll.
Sie schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Es tut mir leid, Tony«, sagte sie unter Tränen.
Tony hob den Blick. »Ich glaube das alles einfach nicht.«
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Jennifer mit dünner, verängstigter Stimme. »Hast du schon mal ein Kind auf die Welt geholt?«
»Nein. Und damit fange ich auch jetzt nicht an. Kannst du laufen?«
»Natürlich. Allerdings nicht auf dem Wasser.«
Er lächelte flüchtig. »Also, dann hör dir meinen Plan an.«
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Kapitel einundzwanzig
Stille Wasser
E s war fast dunkel, und das kleine Schlauchboot driftete seitlich ab, während Tony sich in die Ruder legte. Jennifer sah zu, wie er an Land watete und das Boot auf den steinigen Strand zog. Sie bemerkte eine Bewegung und hatte im ersten Moment, als sie ins schwindende Licht spähte, Angst, dass sich jemand auf ihn gestürzt hätte. Aber es war nur wieder der verflixte Emu, der sich freute, weil sein neuer Partner zurückgekommen war. Wäre es nicht so gefährlich gewesen, hätte sie darüber lachen können.
Sie ging unter Deck, packte die Sachen, die sie brauchten, in einen Segeltuchsack – das mobile GPS , den Kompass, eine Flasche Wasser, eine Taschenlampe, Ersatzkleidung, einen Eimer und eine Decke. Das tote Satellitentelefon ließ sie zurück, packte jedoch Tonys Handy ein, für den Fall, dass sie irgendwann doch Empfang bekamen. Sie warf den Sack neben den Ersatzkanister mit Sprit, sah sich in dem gemütlichen kleinen Salon um und wünschte sich, bleiben zu können. Die Idee, in einem kleinen Boot nach Headland zu fahren, war Wahnsinn. Doch als eine stärkere Wehe kam, erinnerte sie sich, dass sie kaum eine Wahl hatte. Sie zog die Riemen ihrer Schwimmweste fest.
»Verpiss dich, hau ab!«, zischte Tony, als der Emu sich vor ihm spreizte und mit dem harten Kopf gegen seine Brust stieß. Ausgeschlossen, dass er sich in Gesellschaft dieses langbeinigen Gefährten unbemerkt auf die andere Seite der Insel schleichen konnte. Einer plötzlichen Eingebung folgend, erhob Tony sich auf die Zehenspitzen und streckte den Arm direkt über dem Kopf aus, die Hand gebogen wie einen Schnabel, und schlenkerte hin und her. Weil er größer war als der Emu, duckte das Tier sich unterwürfig, und als Tony aggressive Stöße ausführte, zog es sich zurück und beobachtete ihn aus sicherer Entfernung.
Auf der Hügelkuppe angekommen, sah er den Lichtkegel einer Taschenlampe, der sich über den Strand bewegte. Die
Kicking Back
war beleuchtet und voller Aktivitäten, und wie es aussah, waren bis auf zwei alle Kisten umgeladen worden. Am Strand bei dem Schlauchboot befand sich nur ein Mann. Tony musste ihn erreichen, bevor er sich auf den Weg zur Jacht machte. Tony glitt aus, und ein Steinchen rollte den Hügel hinunter, doch der Mann am Strand bemerkte es nicht. Er trug eine der Kisten zum Boot. Tony stand am Strand, mit dem Rücken zu dem dunklen Hügel. Der Mann, völlig auf seine Arbeit konzentriert, sah sich nicht um. Tony schlich sich an, die schwere Taschenlampe aus Metall in der Hand, froh über den schwarzen Pullover, den er angezogen hatte.
Der Mann stemmte die schwere Kiste ins Boot und drehte sich um, den Rücken immer noch Tony zugewandt, der wie erstarrt dastand. Der Emu war aus einer anderen Richtung über den Hügel gekommen und lief auf den Mann beim Boot zu. Der war dem Vogel offenbar schon einmal begegnet, denn er wedelte mit den Armen und schrie den Emu an.
»Hau ab! Los, mach schon, zum Teufel
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