Die Korallentaucherin
vorwärts. Jedes Mal, wenn Jennifer den Kopf hob, sah sie verschwommen Tonys Silhouette, wenn er dastand, die Taue und das Steuer hielt und in die Mauer aus Regen und Wasser eintauchte. Sie kauerte sich zusammen, legte beschützend die Arme um ihren Leib und wusste, dass sie nichts tun konnte, außer Tony und dem Boot zu vertrauen und zu hoffen, dass die Elemente nicht zu wild wüteten.
Tony rief ihr etwas zu. Der Wind riss ihm die Worte vom Mund, doch er deutete mit ausgestrecktem Arm. Immer wieder warf er einen Blick auf den kleinen leuchtenden Bildschirm, der die Korallenbänke zeigte. Jennifer rückte näher an ihn heran, zwängte sich ins Cockpit, hielt sich an der Reling fest, legte die Hand hinters Ohr und machte ihm Zeichen.
Tony neigte sich zu ihr vor. »Sieh nach Steuerbord, da ist eine Schaumlinie. Wir segeln durch einen Kanal. Hinter diesem schäumenden Wasser liegt die Insel. Ich kann nur hoffen, dass wir durchkommen, ohne vom Kurs abgetrieben und auf die Korallenbänke geworfen zu werden.«
»Welche Insel ist das?«, rief sie.
»Besteht nur aus Felsen. Cookshead. Hat die Form von Captain Cooks Hut.«
»Na ja, immerhin hat er nicht seinen Kopf dort gelassen«, versuchte Jennifer zu scherzen. »Also gibt es dort wohl keine feindseligen Eingeborenen.«
»Da gibt es gar nichts. Kein Wasser, keine Bäume. Vögel vielleicht. Wir suchen uns ein geschütztes Plätzchen und gehen vor Anker.«
»Der Wind flaut ab. Sieh nur, da ist sie!«
Auch der Regen ließ nach, und sie sahen den schmalen Keil blasseren Lichts zwischen Wasser und Himmel und den dunklen Streifen der winzigen Insel. Ein leiser Stoß, und das Boot schoss vorwärts. Sie hatten die rauhe See hinter sich, und wenn auch noch Dünung vorhanden war, waren die Wellen nicht mehr so hoch, das tosende offene Meer lag hinter ihnen, und sie befanden sich in einem Kanal mit unruhigem Wasser.
»Wir haben es geschafft, aber halte für alle Fälle die Augen offen.« Tony holte das Sturmsegel ein, warf den Hilfsmotor an und steuerte das Boot langsam weiter.
Wieso hatte Jennifer das Gefühl, durch eine stürmische Nacht geritten zu sein, obwohl es höchstens vier Uhr nachmittags sein konnte? »Da, sieh mal, eine Art Unterstand unter dem Felsen.«
Das kleine weiße Boot mit seiner erschöpften Zweierbesatzung glitt in die freundliche kleine Bucht zwischen den Korallenfelsen, die um sie herum kantig und steil aufragten.
»Hier ist das Wasser tief. Ich werfe zwei Anker und zusätzlich eine Ankerkette. Ich fürchte, wir können nicht ans Ufer waten.«
»An welches Ufer? Gut gemacht, Captain. Alle Achtung.«
Tony strich ihr über das nasse Haar. »Geh unter Deck und schau nach, ob du was Trockenes zum Anziehen findest. Unten in der Hauptkabine habe ich T-Shirts und solchen Kram. Werde bloß nicht krank.«
»Ich bin nicht krank, ich bin schwanger. Aber danke, ich versuche, mich trockenzulegen. Das solltest du auch tun.«
»Ich mache uns einen heißen Grog. Und versuche, das Festland zu erreichen und zu melden, dass wir in Sicherheit sind.«
Jennifer, in Tonys T-Shirt und einer seiner Baumwollhosen mit Kordel, die sie unter ihrem Bauch verknotet hatte, darüber ein viel zu großes Hemd, setzte sich und schlürfte den heißen Kaffee mit einem Schuss Rum. Sie hörte, wie Tony an Deck verschiedene Funkfrequenzen ausprobierte.
»Kein Glück«, sagte er und schwang sich zu ihr hinab. »Die Antenne auf dem Mast ist abgeknickt. Wenn ich auf den Hügel steigen könnte, würde das Satellitentelefon vielleicht funktionieren.«
»Du kannst nicht dort hinaufklettern. Wie sieht es auf der anderen Seite aus? Bleiben wir hier, bis der Sturm aufhört?« Jennifer hatte keine Lust, noch einmal hinauszufahren. Sie wünschte sich Sonne und ruhige See.
»Ich habe mir durchs Fernglas alles genau angesehen. In der Spalte zwischen den beiden Hügeln, dort über dem steinigen Strand, verläuft eine Art Ziegenpfad. Ich schätze, ich kann mit dem Beiboot ans Ufer gelangen und noch vorm Dunkelwerden rasch hinaufsteigen und es probieren.«
Jennifer war skeptisch. »Du hast der Küstenwache mitgeteilt, dass wir vor einer Insel Schutz suchen würden. Sie schicken doch keine Suchflugzeuge oder?«
»Wenn sie bis morgen nichts von uns hören, schlagen sie vielleicht Alarm. Aber wenn keine Leuchtraketen gesichtet und keine Notrufe abgesetzt werden, können sie sich wahrscheinlich denken, dass wir es geschafft haben.«
Jennifer wurde schlagartig bewusst, wie gefährlich der Ausflug
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