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Die Korallentaucherin

Die Korallentaucherin

Titel: Die Korallentaucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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ihr das Radio ein, das Vi und Don ihr geschenkt hatten. Sie beschloss zu duschen, ins Bett zu kriechen und zu prüfen, welche Sender sie auf Branch Island, diesem Pünktchen im Korallenmeer am Rande des Pazifik, empfangen konnte.
    Die Bettwäsche war frisch, glatt und kühl. Jennifer gab den Versuch auf, das Radio einzustellen, legte sich ins Kissen zurück und genoss den leisen Luftzug des Ventilators. Sie ließ die Nachttischlampe an und erwog, noch ein wenig in einer Zeitschrift zu blättern, doch die Augen fielen ihr zu, und sie schlief ein.
    Sie hörte Blair nicht kommen und neben ihr ins Bett schlüpfen. Er gab sich Mühe, sie nicht zu wecken, und war binnen Sekunden ebenfalls eingeschlafen.
    Später, Jennifer schätzte, dass es so gegen zwei Uhr morgens war, wurde sie ruckartig wach. Träumte sie, oder hatte sie tatsächlich ein schreckliches Jammern gehört? Ein Baby mit argen Schmerzen? Erwürgte jemand eine Katze? Sie taumelte aus dem Bett und stieß im Dunkeln gegen den Nachttisch. Sie ertastete die Klinke der Schiebetür zu dem kleinen Balkon und öffnete die Tür. Blair rührte sich.
    Die Luft war warm. Alles war still. Dann war es wieder da, ganz nahe, so nahe, dass sie vor Schreck zurückwich. Ein kehliges Jammern wie bei großen Schmerzen. Und noch einmal. Noch einmal.
    »Was zum Teufel ist das? Wer ist da?«
    »Das sind Sturmtaucher. Ich habe vergessen, dich zu warnen. Es ist schon gut. Komm zurück ins Bett.« Blairs Stimme klang schleppend und verschlafen.
    Jennifer tastete an der Wand nach dem Lichtschalter. »Sturmtaucher? Was haben sie denn?«
    »Sie stoßen eben solche Töne aus. Sie hocken am Boden. Wahrscheinlich gleich vor der Tür.«
    Das Licht auf der kleinen Veranda flammte auf, und Jennifer trat nach draußen. Der Boden war schwach beleuchtet. Mehrere schwarze Klumpen hockten ganz in ihrer Nähe. Einer der Vögel richtete sich auf, einer schlug mit den Flügeln. Sie wichen nicht vor ihr zurück, doch das heisere Schreien setzte sich von einem Vogel zum anderen fort zu einem Schmerzenschor.
    »Das ist ja grauenhaft. Schreien sie die ganze Nacht hindurch?«
    »Du wirst dich daran gewöhnen.«
    »Können wir sie nicht vertreiben?«
    »Gesetzlich verboten. Außerdem haben die Viecher spitze Schnäbel. Ich kümmere mich morgen früh darum, wenn sie zurück in ihre Nester gehen.«
    »In den Bäumen?«
    »Nein, unterirdisch. Sie graben Löcher, also sei vorsichtig, dass du nicht stolperst.«
    »O Gott. Das fehlt mir gerade noch.« Sie schaltete das Licht aus, und in der Dunkelheit setzte sich das Klagegeschrei noch verstärkt fort. Doch in das Schreien, Kreischen und Klagen der Sturmtaucher mischte sich ein anderer Ton, ein spitzer Schrei wie in Todesangst.
    Jennifer richtete sich auf. »Das war kein Vogel. Oder?«
    »Schalte die Klimaanlage ein, dann hörst du nichts mehr.« Blair drehte sich zu ihr um und legte den Arm um ihre Taille. »Magst du schmusen? Dann schläfst du gut. Du hast mir gefehlt.« Er küsste ihren Bauch.
    »Blair, kannst du nicht draußen nachsehen? Ich habe so ein komisches Gefühl …«
    »Jenny, ich gehe nicht nach draußen, um über diese verdammten Vögel zu stolpern. Es sei denn, du willst nackt baden. Es ist ja niemand hier …«
    Jennifer stieg aus dem Bett, zog den Vorhang zurück und trat nach draußen. Sie sah zum Himmel hinauf. Es war dunkel, Wolken verdeckten den Mond. Sie betrat den Sandweg, fuhr zurück und verlor das Gleichgewicht, als ihr Fuß gegen einen weichen Vogelkörper stieß, der böse grunzte und mit seinem spitzen Schnabel nach ihrem Fuß hackte, der zu bluten begann. »Au! Pfui.«
    Sie sprang zurück auf die Terrasse und erkannte undeutlich ein Huschen von schattenhaften Wesen um das Haus herum und in den nahen Bäumen. Richtig erkennen konnte sie sie nicht. Sie sahen nicht aus wie Vögel, eher wie dicke graue Klumpen, wie unterirdische Kreaturen, die aus der Tiefe der Erde kamen. Es gruselte sie. Ihr Fuß schmerzte, und sie wollte zurück ins Haus gehen. Da hörte sie es. Ein Schluchzen, ein Huschen, ein Brechen durchs Gestrüpp, jemand, der in Panik flüchtete.
    »Wer ist da? Was ist los?«, rief sie aufgeschreckt und tastete nach dem Lichtschalter neben der Schiebetür. »Blair, komm schnell …«
    Blair, in Unterhose, betätigte den Schalter, und das Außenlicht leuchtete auf.
    Knapp außerhalb des Lichtkegels hockte eine Gestalt, schwankte, stürzte zu Boden und rollte sich zusammen. Eine junge Frau erstickte fast an ihrem Schluchzen und

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