Die Korallentaucherin
was, Blair? Von jetzt an brauchst du dir keine Sorgen mehr um mich zu machen. Glaub mir.«
Etwas in ihrem Tonfall veranlasste Blair, auf weitere Kritik zu verzichten. »Prima. Das freut mich. Es stört dich also nicht, wenn ich jetzt wieder an die Arbeit gehe? Wie steht’s mit Abendbrot?«
»Ich mache mir etwas zurecht. Iss du nur im Hotel. Ich brauche keinen Babysitter, Blair. Ich habe vor, noch ein bisschen zu arbeiten.«
»Braves Mädchen. Ich wünsche dir einen geruhsamen Abend. Hört sich so an, als hättest du für heute genug Aufregung gehabt. Übrigens, wer sind diese interessanten Leute?«
»Sie würden dir nicht gefallen. Leute von der Universität. Ein Wissenschaftler und ein Strandräuber.«
»Hast recht. Nicht nach meinem Geschmack.« Blair bemerkte Jennifers angespanntes, wütendes Gesicht nicht.
Später, allein, nachdem sie Rührei und eine Tasse Suppe verzehrt hatte, legte Jennifer die Füße auf den Kaffeetisch, hörte Radio und dachte über den Tag nach. Und über die Rückfahrt. Plötzlich musste sie laut lachen. Sie stand auf, holte den Wein aus dem Kühlschrank, schenkte sich ein Glas voll ein und hob es, um sich selbst zuzuprosten. »Willkommen im Haifisch-Club, altes Mädchen.«
Es klopfte an der Tür.
»Wer ist da?«
»Rosie. Ist alles in Ordnung?«
Jennifer öffnete die Schiebetür. »Kann gar nicht besser sein. Tut mir leid, dass ich heute Abend solch einen Aufruhr bewirkt habe.«
»Kein Problem. Gut zu wissen, dass das Team so schnell einsatzbereit war. So hatten alle für ein paar Minuten ein bisschen Abwechslung.« Sie hielt eine Flasche Wein in die Höhe. »Ich dachte, du würdest dich vielleicht über ein wenig Gesellschaft freuen.«
»Schön. Ich habe sogar schon eine Flasche angebrochen. Komm rein.« Jennifer strahlte, sie war bester Laune, was Rosie auf den Wein und die Aufregung zurückführte.
»Schön, dass du Gideon kennengelernt hast; er ist ein prima alter Kauz. Ein Bastler und Geheimwissenschaftler, ein Erfinder. Ich habe nie die Zeit, ihn zu besuchen. Etwa einmal im Monat kommt er zum Dinner hierher. Vielleicht sollte ich gehen«, sagte Rosie irgendwann, machte aber keinerlei Anstalten dazu.
»Wir haben deinen Wein noch nicht mal geöffnet«, protestierte Jennifer.
»Gibt es denn etwas zu feiern?«
Jennifer stand auf und griff nach dem Korkenzieher. »Ja. Ich sollte nicht noch mehr Wein trinken, aber was soll’s? Heute habe ich etwas getan, was ich noch nie gewagt habe, etwas, was mir Angst gemacht hat – und ich habe es überlebt. Und … ich bin schwanger. Blair weiß es nicht und wird sich wohl auch nicht darüber freuen. Aber weißt du was? Es ist mir egal.«
Rosie nahm Jennifer den Korkenzieher aus der Hand und griff nach der Weinflasche. »Ich trinke noch ein Glas. Du bleibst bei Limo. Auf dich, Kleine!«
Draußen schrie der erste Sturmtaucher des Abends, doch das Geräusch ging in dem hellen Lachen in dem Häuschen zwischen Dünen und Bäumen unter.
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Kapitel acht
Fremde an der Küste
L loyd steuerte die Barkasse in den tiefen Zufluss des äußeren Riffs, wo das türkisfarbene Wasser sich über dem Kontinentalsockel indigoblau färbte. Jennifer saß neben ihm in dem halbgeschlossenen Cockpit, geschützt vor Sonne und Gischt, während Blair die Angelrute hielt, die Lloyd fürs Schleppangeln hergerichtet hatte, und auf einen Biss hoffte.
»Gibt es da unten große Fische?«, fragte sie über den Motorenlärm hinweg.
»Früher mal … In den letzten paar Jahren ist das Angeln etwas mühsamer geworden. Deswegen ist das gewerbliche Angeln innerhalb des Riffs inzwischen verboten, damit die Bestände sich wieder erholen können. Diese verdammten Netze fischen ja alles ab.«
Sie sah sich nach Blair um, der die lange biegsame Rute in einer und eine Dose Bier in der anderen Hand hielt. »Ich wusste gar nicht, dass Blair gern angelt.«
Lloyds Gedanken gingen in eine ähnliche Richtung. »Er bekommt einen Schock, wenn ein Marlin, eine Spanische Makrele oder ein Thunfisch anbeißt. Wenn man auf der Insel lebt, geht man wohl irgendwann Interessen nach, die man früher nicht hatte. Hier gibt es ja weit und breit keine Unterhaltung wie in der Stadt.« Er grinste. Lloyd war Ende zwanzig und hatte immer schon am Meer gelebt. Boote, insbesondere Segelboote, waren seine Leidenschaft.
»Was hast du vor, wenn du zurück ans Festland gehst?«, fragte Jennifer, die vermutete, dass er wie die meisten jungen Mitarbeiter gleich einen Pub, eine Bar oder einen
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