Die Korallentaucherin
Gischt ein Torpedo eingeschlagen. Ein großer dunkler Schatten, nur einen oder zwei Meter kürzer als das Boot, durchbrach mit aufspritzendem Schaum den Wasserspiegel.
»Ein Hai!«, schrie Blair. »Himmel, sieh dir den an! Der ist bestimmt sieben Meter lang! Nichts wie weg hier, Lloyd!« Blair war bewusst, dass dieser riesige Hai, wenn er wollte, ihr Boot problemlos rammen und zum Kentern bringen konnte.
»O nein!«, schrie Jennifer. »Sieh nur, er hat die arme Schildkröte geschnappt!«
Der Hai drehte sich und schüttelte den Kopf und zeigte dabei sein typisches Haifischgrinsen, die zappelnde Schildkröte zwischen den Zähnen. Mit einem ekligen Knirschen zerbrach der Hai den Panzer mit seinen mächtigen Kiefern, zuckte mit der Schwanzflosse und war eine Sekunde später verschwunden. Nur ein leichter Ölfilm blieb auf dem immer noch aufgewühlten Wasser zurück und eine abgetrennte, blutende Flosse der Schildkröte.
»Himmel, der war ja riesig! Hast du kein Gewehr an Bord, um die Viecher abzuschießen?«, fragte Blair.
Lloyd drehte das Steuerrad und gab Gas. »Tigerhaie werden hier draußen ziemlich groß. Wir befinden uns in ihrem Revier. Wahrscheinlich hat er sich Jennifers Fisch geschnappt«, erklärte er knapp.
Jennifer zitterte. Die riesige Tötungsmaschine, die aus dem Nichts auftauchte, sekundenschnell zuschlug und wieder verschwand, hatte sie erschreckt. Das war es, was sie so fürchtete: Das Meer beherbergte Mörder. Grausam zuschlagende Monster wie den Tigerhai oder stille unsichtbare Mächte, die einen Vater und einen Bruder fortrissen und verschlangen.
Als sie den Zufluss passiert hatten und sich innerhalb des Riffs befanden, kreuzten sie über die stille Lagune, wo die Luxusjachten und Motorschiffe lagen und die Insel beinahe winzig erscheinen ließen.
»Hoffentlich müssen wir nicht an Land schwimmen«, scherzte Blair.
»Nichts allzu Großes gelangt ins Innere des Riffs. Hier ist es ziemlich sicher. Wir können das Beiboot beladen. Zuerst bringe ich euch zwei an Land, dann schaffe ich eure Sachen zum Zelt. Du kennst dich hier aus, nicht wahr, Blair?«
Blair nickte, wickelte seine Kamera in ein Handtuch und griff nach seinem kleinen Rucksack. »Jenny, nimm den Kleinkram mit, den du brauchst, dann können wir uns erst noch ein wenig auf der Insel umsehen, bevor wir zum Mittagessen zurückkommen. Da drüben am Ende des Strands kann man prima schwimmen.«
»Die Insel anschauen finde ich besser als schwimmen«, sagte Jennifer. »Ich freue mich aufs Robinson-Crusoe-Spielen.« Sie plante, ihm, sobald sie sich an einem abgelegenen Fleckchen Strand unter einem Baum niedergelassen hatte, von dem Baby zu erzählen.
Als sie aus dem Beiboot stieg und sich umschaute, sah Jennifer ein nach allen Seiten offenes Bauwerk mit einem Strohdach auf dicken Holzpfeilern. Sie ließen die angrenzenden Bäume hinter sich, und da erkannte Jennifer, dass es sich um den gemeinschaftlichen Essplatz handelte, mit langen Holztischen und gebohnertem Holzfußboden. Im hinteren Bereich befanden sich die Essensausgabe und eine Küche. Zusätzlich zu den Tischen, Stühlen und Bänken gab es schicke Rattansessel und Liegestühle aus Rohrgeflecht mit bunten, tropisch gemusterten Seidenpolstern. Der Raum war luftig, doch Jennifer sah Rollos aus feinem Fliegendraht und Bambus, die an den Seiten herabgelassen werden konnten. Draußen standen hohe Kerzenleuchter und Fackeln.
Ein hübsches Mädchen kam ihnen zur Begrüßung entgegen. Wie die Belegschaft der Ferienanlage auf Branch war sie in Weiß und Türkis gekleidet, allerdings in einen Sarong mit einem weißen Baumwollhemdchen darüber. Sie trug keinen BH , war schlank und braun gebrannt.
»Hey, Blair, schön, dich zu sehen. Die Bosse sind hier. Sie wollen dich zum Mittagessen an Bord begrüßen.«
»Ah, Susie, das ist Jennifer, meine Frau. Susie ist hier die Gastgeberin. Aber sie macht praktisch alles«, sagte Blair zu Jennifer.
»Nicht unbedingt. Ich gebe nur Anweisungen. Allerdings musste ich heute Morgen das Frühstück zubereiten. Die
Kicking Back
hat sich Carol und Geoff unter den Nagel gerissen. So heißt die Jacht der Bosse«, sagte Susie mit blitzenden Augen und einem breiten Lächeln, an Jennifer gewandt.
»Das schwimmende Bumslokal da draußen?«, fragte Jennifer. »Dem Unternehmen scheint es gutzugehen. Fühlst du dich nicht ein bisschen, hm, isoliert die ganze Zeit hier draußen?«, fragte sie, als sie Susie einen schattigen, mit Jasminblüten übersäten Weg
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