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Die Korallentaucherin

Die Korallentaucherin

Titel: Die Korallentaucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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warf zuerst Gideon, dann Jennifer einen Blick zu und lachte leise. »Ah, und sie konnten zusammen nicht kommen. Du bist versehentlich in die geheime Welt von Branch Island geraten.«
    »Der Haifisch-Club?«, fragte Jennifer belustigt.
    »Dort hat man nur auf Einladung Zutritt. Mac ist der Leiter der Forschungsstation hier auf Branch, der Reef Science and Research Station.« Gideon deutete auf die Gruppe hinter ihnen. »Sie alle sind Studenten und wissenschaftliche Mitarbeiter. Amüsieren sich hier monatelang am Stück.«
    »Für dich mag es nicht nach Arbeit aussehen, Gideon, aber in dieser Gruppe basteln fünf Studenten an ihrer Promotion, ganz zu schweigen von den anderen Graduierten – mit Master-Titel und Summa-cum-laude-Abschluss.« Mac wandte sich Jennifer zu. »Wir sind hauptsächlich Wissenschaftler und Meeresbiologen von der Southern Star University in Queensland. Aber wir haben auch Studenten aus aller Welt. Wie Carmel. Die Möglichkeit, das Riff zu erforschen, seine Ökosysteme, die Meeresflora und -fauna und andere Umweltthemen, ist äußerst gefragt. Ich komme zweimal pro Jahr mit einem Team hierher.«
    Eine Gänsehaut überzog Jennifers Arme. »Ich hatte keine Ahnung, dass es so etwas hier gibt. Von wo aus arbeitet ihr? Kommt ihr vom Festland herüber und zeltet hier?«
    Mac lachte. »Manche mögen es als Überlebenstraining betrachten. Wir leben in einfachsten Verhältnissen, aber wir verfügen über ein funktionstüchtiges Labor, über Wassertanks, Arbeitsplätze und anständige Unterkünfte und Verpflegung. Letzteres hängt davon ab, wer kocht. Die Schildkrötenforscher sind natürlich die ganze Nacht über auf den Beinen und wecken immer wieder die Korallenforscher auf, die tagsüber arbeiten und ihrerseits die Schildkrötenforscher wecken … Du verstehst schon. Schlaf gibt’s hier nur mit Aufpreis.«
    »Und dort befindet sich der Rest der ursprünglichen Anlage«, erklärte Gideon. »Die Forschungsstation ist in die Mitte der Insel ausgelagert.«
    »Hat leider keinen Blick aufs Meer. Aber wir haben ein Basislager am Strand eingerichtet, weil wir keine Lust mehr hatten, unsere Ausrüstung hin und her zu schleppen. Du musst uns besuchen und dir alles ansehen.« Mac grinste.
    »Ich bin sprachlos.« Jennifer fehlten wirklich beinahe die Worte. »Ich würde es mir liebend gern ansehen. Darf ich morgen kommen?«
    Alle lachten. Und dann hatte Jennifer so viel zu erzählen und so viele Fragen an Mac und Gideon, dass sie nicht bemerkte, dass es dunkel geworden war. Kerzen und Laternen wurden angezündet, eine trübe Funzel über die Bar gehängt, und die Sturmtaucher kamen zurück und suchten schreiend und klagend ihre Nester auf.
    »Wollen wir grillen, Gideon?«, rief Rudi, der, als Macs außerordentlicher Professor, die praktische Seite des Tagesablaufs der Studenten betreute.
    Jennifer sprang erschrocken auf. »Himmel, mir war gar nicht klar, dass es so spät geworden ist. Ich muss zurück. Oh, hast du eine Taschenlampe, Gideon?« Der Weg würde stockfinster sein.
    »Lloyd muss auch zurück zum Hotel. Geh doch mit ihm«, schlug Rudi vor.
    »Prima«, sagte Jennifer erleichtert. Sie konnte nur hoffen, dass Blair beschäftigt war und ihre Abwesenheit nicht bemerkt hatte. Sonst machte er sich Sorgen. »Wo steckt Lloyd?«
    »Auf seinem Boot. Im Zulauf. Du kannst hinauswaten und einsteigen.«
    Jennifer starrte sie erschrocken an. »O nein, das kann ich nicht.«
    Gideon nahm ihren Arm. »Lloyd gibt schon acht auf dich. Manchmal musst du die Grenzen überschreiten, die du dir selbst gesetzt hast, meine Liebe.«
    Mac trat an ihre andere Seite. »Die Nacht ist ruhig, nach dem Regen kannst du vielleicht ein bisschen Nachtleuchten beobachten. Gleich hinter der Landspitze«, sagte er sanft. »Wenn du in unseren Club eintreten willst, musst du etwas tun, was du noch nie zuvor getan hast. Tu’s jetzt, Jennifer.«
    Für jeden anderen hätte eine Bootsfahrt in der ruhigen, von Sternen erhellten Dämmerung keine Gefahr bedeutet. Doch als Jennifer in dem kleinen Fischerboot saß, sich krampfhaft festhielt und Lloyds Umriss am Steuer beobachtete, erlebte sie das alles mit sehr gemischten Gefühlen. Die Wasseroberfläche war glatt und silbern wie ein Deckel auf irgendeiner Unterwelt unter dem Meeresspiegel. Viele Jahre waren vergangen, seit sie den Traum gehabt hatte. Als Kind hatte sie immer geglaubt, dort unten gäbe es eine sichere Welt. Doch als vernünftig denkende Erwachsene wurde ihr klar, dass sie fast wie ihr

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