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Die Korallentaucherin

Die Korallentaucherin

Titel: Die Korallentaucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Bruder und ihr Vater ertrunken wäre.
    Für Jennifer hing die Angst vor dem Meer mit dem Gefühl von Verlassenheit und Versuchung zusammen. Wie einfach es wäre, sich jetzt übers Geländer fallen zu lassen. Lloyd würde den Aufschlag über das Motorengeräusch hinweg nicht hören. Sie traute dem übermächtigen Sog nicht, der vom Meer ausging, sie abstieß, ängstigte und doch verführte.
    Sie schloss die Augen, doch Gideons Worte kamen ihr wieder in den Sinn, dass sie selbst gesetzte Grenzen überschreiten müsse. Sie hatte das Gefühl, sich in ein engmaschiges Netz aus Sicherheit und Geborgenheit zu begeben, und hatte Angst davor, emotionale Herausforderungen zuzulassen. Sie dachte an das, was Mac gesagt hatte, dass sie etwas tun müsse, was sie noch nie zuvor getan hatte. Als sie die Augen öffnete, sah sie Llyod, der gemütlich auf seinem Drehstuhl am Steuer saß und kaum auf sie achtete.
    Behutsam tastete Jennifer sich in Richtung Dollbord und legte die Hand um das Metallgeländer. Sie umklammerte es fest, richtete sich auf die Knie auf und spähte über den Bootsrand.
    Wasser gurgelte um den Bootsrumpf. Sie atmete einmal kurz und tief ein. Nichts veränderte sich. Das vorüberrauschende silbrige Wasser glitzerte im Licht. Sie hob den Blick, schaute über das Kielwasser hinweg auf das dahinterliegende glatte, dunkle Wasser. Es wirkte nicht finster oder bedrohlich. Sie blickte unentwegt ins Wasser.
    Dann erhob sich aus diesen dunklen unbekannten Tiefen ein weißer Klumpen an die Oberfläche. Er sah schwammig und weich aus wie ein Kind. Zu ihrem Entsetzen sah Jennifer das Gesicht ihres Bruders. Aschfahl, mit glasigen Augen. Sie rang nach Luft, spürte, wie ihr Magen sich hob, und schlug die Hand vor den Mund, um das Würgen zu unterdrücken.
    Lloyd war sofort bei ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter. »Wenn dir schlecht wird, beug dich übers Geländer und lass es einfach raus. Versuch nicht, es hinunterzuschlucken.«
    Sie schüttelte den Kopf, schluckte krampfhaft und sah ihn an. »Entschuldige, ich dachte gerade … da war …« Sie blickte wieder aufs Wasser, auf dem der schleimige Klumpen schwamm. »Das da …«
    »Eine große Qualle. Harmlos. Einige Arten haben lange Stacheln, die einen üblen Ausschlag hervorrufen. Die Würfelqualle kann tödlich sein und hat Tentakel von bis zu drei Metern Länge.«
    Sie konnte nicht antworten. Sie sah die pulsierenden Lappen rund um den halbkugelförmigen Körper. »Entschuldige, Lloyd. Jetzt geht’s wieder. Wirklich.«
    »Na gut. Wollen wir volle Kraft voraus?«
    »Na los.«
    »Also dann.«
    Lloyd gab Gas, und das Boot schoss vorwärts, der Bug hob sich leicht. Lloyd blickte sich zu seinem Fahrgast um. Jennifer hielt sich am Sitz und am Geländer fest und bot ihr Gesicht der Nachtluft dar. Ihr kurzes Unwohlsein hatte sich verflüchtigt. Stattdessen wirkte sie euphorisch.
    Da waren helle Lichter, Betriebsamkeit auf einigen Booten und ein paar Neugierige, die vom Anleger aus zusahen. Als sie sich langsam der Treppe näherten, drosselte Lloyd den Motor und rief: »Was gibt’s, Doyley? Hat jemand was Großes gefangen?«
    »Nein. Blairs Frau wird vermisst. Wir fahren raus, vielleicht müssen wir den Hubschrauber anfordern.«
    »Nein, Mann. Sie ist hier bei mir. Alles in Ordnung.«
    Eine Sirene heulte, von einem der Boote wurde eine orangerote Leuchtkugel abgeschossen. Stimmen riefen, Gestalten liefen über den Anleger. Jennifer war so viel Aufmerksamkeit unangenehm; sie wünschte sich, allein in ihrem Häuschen zu sein. Blair begleitete sie dorthin.
    »Wir waren krank vor Sorge. Das war dermaßen dumm von dir. Ganz zu schweigen davon, dass du einen verdammten Aufruhr bewirkt hast.«
    »Es tut mir leid, Blair. Ich habe interessante Leute kennengelernt und die Zeit vergessen. Und offen gestanden hatte ich keine Lust, allein in der Dunkelheit quer über die Insel zu marschieren«, fügte sie ziemlich hitzig hinzu.
    »Du hast recht«, räumte er ein. »Ich hatte nur große Angst um dich. Es war so untypisch für dich.«
    »Ach ja?« Jennifer blieb stehen. »Glaubst du, ich habe mich wie ein verängstigtes Mädchen benommen, als ich ich selbst war und eigenständig gehandelt habe?«
    »Ja, mag sein. Ich habe genug damit zu tun, die Belegschaft im Auge zu behalten, und kann keine zusätzlichen Sorgen darüber brauchen, ob du ins Wasser gefallen oder in ein Sturmtaucherloch gestolpert bist oder was auch immer.« Beide dachten an Rhonda.
    Jennifer ging weiter. »Weißt du

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