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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H. Schreiber
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ankommen. Eine Weile schaffte er es auch, im gestreckten Galopp
dahinzufliegen.
    Dann plötzlich bremste sein Pferd
so stark ab, dass er fast stürzte. Es scheute und bäumte sich auf. Dann begann
es, in eine andere Richtung zu traben. Gryla lenkte es jetzt, das wusste er.
Das war so schnell gegangen! Er war überrascht. Wahrscheinlich hatte sie Ranjas
sorgenvolle Gedanken empfangen. Und Ansgars Gedanken an seinen fehlenden Knecht
hatten sie sicherlich ebenfalls auf seine Fährte gebracht.
    Kein Urmitzer hatte bis jetzt
Reinulfs und Liobas Tod bemerkt. Doch es hatte nichts genutzt. Sobald jemand zu
weit in den Wald hineinging und eine unsichtbare Grenze übertrat, erwachte
Gryla. Die Urmitzer kannten diese Grenzen im Wald genau. Sie erstreckten sich
etwa im Umkreis einer halben Meile um das Dorf. Das Moos wuchs dort anders, die
Blätter lagen in gewissen Mustern auf dem Boden und auch Zweige fielen auf eine
ganz bestimmte Art und Weise von den Bäumen.
    Vielleicht hatte sie auch David
mit ihrem Geist bis in den flüsternden Grund verfolgt und die Zusammenkunft
zwischen ihm und dem Waldgeist belauscht. Eigentlich jedoch konnte er sich
nicht vorstellen, dass Zagel ihr irgendeine Möglichkeit gab, in sein Gebiet
einzudringen. Deshalb glomm in ihm noch ein kleiner Funke Hoffnung, dass dies
nicht geschehen war.
    Er war ein Narr gewesen, dass er
gehofft hatte, er könnte ihr einfach so entwischen. Andererseits wäre er ohne
diese Naivität erst gar nicht so weit gekommen. Er hatte es getan! Er war in
den Wald geritten jenseits der erlaubten Zone. Der Tod seiner Brüder in diesem
Wald hatte seine ganze Kindheit beherrscht und tiefe Spuren in ihm
hinterlassen. Er hatte immer unermessliche Angst vor diesem Wald gehabt und nun
ritt er mitten hindurch! Er konnte stolz auf sich sein, aber er fühlte nur
Grauen, besonders jetzt, da sein Pferd ihm immer mehr außer Kontrolle geriet.
    Er versuchte, es zu beruhigen und
ihm gut zuzureden, zog immer wieder an den Zügeln, beugte sich vor und
flüsterte dem Hengst ins Ohr. Nichts half. Er hatte keinerlei Macht mehr über
das Tier. Die hatte nur noch Gryla. Sein Pferd ritt immer tiefer in den Wald
hinein, wechselte mehrfach die Richtung, schlug Haken, bis Aron völlig die
Orientierung verloren hatte.
    Dann wurde es noch einmal
schneller, und plötzlich begriff Aron, dass es ungebremst auf eine
heranfliegende Felswand zuraste. Es trennten ihn nicht mal mehr hundert Ellen
von dem sicheren Aufprall mit dem kleinen Berg, der sich auf einer Lichtung vor
ihnen erhob. Da richtete er sich auf, krallte sich in der Mähne des Tieres
fest, setzte einen Fuß auf den Pferderücken und stieß sich mit einem
verzweifelten Schrei vom Sattel ab. Er flog im hohen Bogen durch die Luft und
fiel mit einem dumpfen Geräusch unsanft auf den Waldboden. Der Aufprall war
noch härter als er befürchtet hatte, und das Geräusch dabei glich dem eines
nassen, mit Sand gefüllten Sacks, der auf die Erde klatschte.
    Jegliche Luft wurde aus seinen
Lungen gepresst, er sah Sterne, überschlug sich mehrfach, bis er an einem Stein
abrupt abgebremst wurde. Eine Welle des Schmerzes überflutete ihn, und ihm
wurde fast schwarz vor Augen. Er lag gekrümmt auf dem Waldboden und presste die
Arme an seinen Körper. Ein paar schreckliche Sekunden lang glaubte er, nicht
mehr einatmen zu können. Er keuchte, und sah, wie sein Pferd laut wiehernd mit
einem dumpfen Schlag an der Steinwand zerschmetterte. Dann sank es zusammen und
hinterließ auf dem Stein eine breite, schmierige Blutspur.
    Mit gebrochenem Hals und
verdrehtem Körper saß es in grotesker Haltung in sich zusammen gesunken nun da,
und obwohl Aron wusste, dass es tot war, hatte er das dumpfe Gefühl, dass es
ihn vorwurfsvoll anblickte.
    Aron atmete schwer. Er rang nach
Luft. Der Schrecken saß zu tief, und er glaubte, sein Herz würde stehen
bleiben. Taumelnd und keuchend stand er auf und versuchte, sich auf den Beinen
zu halten. In seinem Kopf pochte es gewaltig, und er hatte Mühe, geradeaus zu
schauen, da der Wald vor seinen Augen regelrecht tanzte und flimmerte. Er fiel
wieder auf die Knie, raffte sich noch einmal hoch und torkelte verwirrt in eine
Richtung, von der er glaubte, dass sie zum flüsternden Grund führte. Zu seinem
Schrecken bemerkte er bald, dass er keinerlei klaren Gedanken mehr fassen
konnte und immer noch Schwierigkeiten hatte, sich zu orientieren.
    Das war zu schnell gegangen,
dachte er. Er hatte sich eingeredet Gryla würde nicht so schnell

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