Die Kornmuhme (German Edition)
Alte mich zum Teufel jagen. Ihr passt es gar nicht, dass sich diese beiden
Zimmer anbieten. Weißt du, sie ist mächtig, aber sie ist nicht allmächtig. Das
ist sie nur, wenn die Leute, wie in deinem Dorf, von der Außenwelt
abgeschnitten sind. Ich zum Beispiel habe schon in vielen Wirtschaften dieser
Region gearbeitet. Die magischen Schutzzauber, die ich besitze, sind mein
Ein-und-Alles. Ohne sie wäre ich schon verhungert oder Sklave so manchen
Waldgeistes geworden. Ich bin vogelfrei, so wie die wenigen Kaufleute frei
sind. <<
Sie steckte den Schlüssel ins
Schloss und drehte ihn um. Ein lautes Klacken begleitete den zurückschlagenden
Bolzen. Sie drückte die Klinke und ließ die Türe mit einem lang gezogenen
Knarren in den Raum hineinschwingen. Arons Blick fiel auf ein mickriges Bett.
Auch über diesem hing ein schwarzes Steinamulett.
>>Weißt du, wir alle haben
Abkommen mit der magischen Welt geschlossen. Die, die da unten sitzen zum
Beispiel, die haben jahrzehntelang Geschäfte gemacht in den Dörfern. Sie sind
reich geworden über die Jahre, aber ihre Zeit ist abgelaufen, und nun sind sie
dran, ihren Teil der Abmachung zu zahlen. Und keine Magie der Welt kann dich
davor schützen, wenn du einen Pakt eingegangen bist, dein Soll auch irgendwann
einzulösen. <<
Aron trat ein, und sogleich umfing
ihn das Gefühl des Umschlossenseins noch einmal stärker, so dass es fast schon
unangenehm und beklemmend wurde. Er blickte sich um und sah nun an jeder Wand
ein Amulett aus schwarzem Stein. Die Wirtin fuhr fort:
>>Hier bist du vor ihrem
Auge sicher. Falls sie nicht gesehen haben sollte, dass du hierhergekommen
bist, kann sie dich jetzt nicht mehr ausmachen. Sie wird es sich aber denken
können. <<
Ein Schrei drang von ferne an
Arons Ohr. Gryla schien immer noch beschäftigt zu sein. Wenn er Glück hatte,
war sie es die ganze Nacht.
19
Die Nacht brach herein und Ranja
hörte, als sie im Wohnzimmer am Webstuhl saß, wie die Ähnl das Haus verließ.
Sie lief zum Fenster und schaute ihr nach. Die Alte ging geradewegs in den Wald
hinein, und Ranja schauderte es bei diesem Anblick. Wie konnte sie das wagen?
Und wie konnte sie den Weg in dieser Dunkelheit finden?
Bald verschluckte die Nacht ihre
Gestalt, und Ranja verharrte stehend am Fenster. Sie war müde und es war ihr,
als wäre sie kurzzeitig eingenickt, obwohl das im Stehen nicht möglich sein
konnte. Als sie jetzt blinzelte, sah sie ihre Tante wieder auf das Haus
zulaufen. Sie trug Feuerholz auf dem Arm, was ungewöhnlich war, da sie doch
eine Menge davon im Schuppen hinter dem Haus hatte.
Die Alte schien ihr Gedächtnis
immer mehr zu verlieren. Ranja war schon aufgefallen, dass sie unsinnige Dinge
tat, hatte sie aber nicht darauf angesprochen. Sie hörte, wie ihre Tante ihre
Schuhe im Flur abstreifte und ächzend in ihr Zimmer wankte. Dort befeuerte sie
den Ofen.
Noch nie hatte Ranja sich so
fürchterlich gefühlt wie in den letzten Tagen. Ihr Vertrauen in das Leben war
zerstört und sie wusste, dass sie sich nie mehr sicher fühlen konnte. Früher
hatte sie Geborgenheit in der Nähe ihrer Tante gespürt. Sie hatte sich der
Illusion hingeben können, dass die alte Frau irgendeine Art des Schutzes
darstellte. Doch wenn nicht einmal Reinulf gegen Gryla einen Finger hatte
rühren können, würde es Mara natürlich erst recht nicht können.
Die Ähnl begann in ihrem Zimmer zu
rumoren. Anscheinend wurde sie abends munterer. Ranja trat vom Fenster zurück
und warf noch ein Scheit Holz nach. Das Feuer war schnell heruntergebrannt. Die
nun wieder aufflackernden Flammen zuckten und warfen tanzende Schatten an die
Wände. Ranja betrachtete das Spiel der Flammen eine Weile versonnen.
Müdigkeit machte sich in ihren
Gliedern breit, und ein leichter Kopfschmerz, der sie schon seit Tagen
begleitete, begann nun wieder stärker zu werden. Sie vermisste ihre Mutter,
ihren Vater, ihren Bruder und Aron. Einsam fühlte sie sich und sie schluchzte
bei dem Gedanken laut auf, dass Aron etwas zustoßen könnte.
Plötzlich sah sie im Augenwinkel
etwas huschen. Es war eigentlich wie eine flüchtige Bewegung gewesen, die
sofort innehielt, als sie ihren Blick darauf richte. Sie schaute auf die Balken
unter der Decke. Ihr fiel auf, dass sich in einigen Ritzen des Holzes graue
Wolle befand. Sie blickte sich um und stellte mit Erstaunen fest, dass dies im
ganzen Raum der Fall war. Na, ob das gegen die Kälte hilft? fragte sie sich und
schüttelte den Kopf. Ihre Tante kam
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