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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H. Schreiber
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Lügen strafen, hatte sie gedacht, denn ganz
bestimmt waren es ein paar Maronen, die im Schoß der Tante neben dem Wollknäuel
lagen, und die sie sich ab und zu in den Mund schob.
    Jetzt, da sie Mara so verwirrt vor
sich hin murmelnd die Wolle in die Wände stopfen sah, begriff sie, dass ihre
Gedanken vielleicht doch nicht so abwegig gewesen sein mochten, und als Mara
sich ruckartig umdrehte und Ranja aus ihren halbblinden, weit aufgerissenen
Augen heraus anstierte, sah sie winzige Fuseln grauer Wolle an ihren spröden
Lippen hängen.
    Dem Mädchen entfuhr ein Schrei, es
sprang zurück, so dass es mit dem Kopf laut krachend gegen die unter der Decke
hängende Öllampe stieß, und dann rücklinks auf die Bettstatt der Ähnl fiel.
Beide starrten einander einen langen Moment an. Ranja hatte das verrückte
Gefühl, dass die Ähnl mit ihrem Geist weit weggegangen, oder aber, dass sie
jemand anderer geworden war.
    >>Ähnl…<<, stotterte
Ranja der immer näher kommenden Alten entgegen, >>Was machst du da?
<<
    Ranjas Blick fiel am Kopf der
Tante vorbei auf die dahinterliegende Wand. Jede kleinste Ritze in diesem Raum
war mit Wolle ausgestopft. Es musste Wochen gedauert haben, dies alles zu
füllen. Die Ritzen, aus der die Kälte des Walds herausgekrochen kam - was
sollte diese Wolle dagegen anrichten?
    Seit Ranja in dieses Haus gekommen
war, hatten sich ihre Angst und ihre Traurigkeit ständig gesteigert. Aber es
war nicht nur die innere Traurigkeit, wie sie nun begriff. Dieses Haus hatte
etwas an sich, etwas Böses, und es schien in sie hineinzukriechen und in ihr
auszubreiten, wie ein Geschwür von ihr Besitz zu ergreifen, in jeder Sekunde,
die sie hier war.
    Seit sie in diesem Haus war,
fühlte sie das. Oben unter dem Balken an der Decke sah Ranja eine Bewegung, und
sofort war ihr klar, dass ein weiteres hölzernes Fabelwesen zum Leben erwacht
war. Sie hatte das Gefühl den Boden unter ihren Füßen zu verlieren. Ihre Tante
war verrückt geworden – vielleicht verrückt vor Angst. Oder sie war verhext.
Etwas stimmte nicht mit ihr, mit diesem Haus! Mara hatte ein solch verzerrtes
Gesicht, wie Ranja es noch nie bei ihr gesehen hatte, und ihre Hände fummelten
unaufhörlich an der Spule herum, wie kleine wilde Spinnen, die mit ihrer Beute
rangen.
    Dann hielt Mara plötzlich inne,
und eine seltsame Wandlung schien sich in ihr zu vollziehen. Ihr Blick klärte
sich und sie raunte mit glasklarer Stimme:
    >> Das hält das Böse ab,
Ranja. Ich muss es tun! << Sie kam näher, und der Schein der hin und her
schaukelnden Lampe tauchte ihr Gesicht immer wieder abwechselnd in Licht und
Schatten. Sie beugte sich über ihre Nichte und sagte noch einmal eindringlich:
>>Der Wald…wir sind dem Wald zu nahe! <<
     
     

20
     
    Ob Gryla bewusst war, was Arons
Flucht für sie bedeutete, wusste er nicht. Sie schien noch eine Weile weiter
mit ihrem Opfer gespielt zu haben. Dann war ein finaler Schrei zu hören
gewesen, und bald darauf Stille. Wen oder was sie da bekämpft hatte. konnte nun
nicht mehr am Leben sein oder war sicherlich schwer verletzt. Er hatte noch
lange wach gelegen und auf die Geräusche im Haus und im Wald gelauscht, hatte
die Wirtin die Treppe heruntergehen hören und auch gehört, wie sie noch etwas
aus der Vorratskammer geholt hatte. Dann war es still geworden. Totenstill.
    Es waren sicherlich an die zwanzig
Personen im Haus, aber das war nicht zu bemerken. Es war, als würden sie sich
garnicht bewegen. Ob sie noch da unten saßen und vor sich hin schwiegen? Ob sie
überhaupt etwas taten, außer still dazusitzen, Nahrung zu sich zu nehmen und
auf die Befehle der Gryla zu warten? Er schüttelte sich bei dem Gedanken, dass
sie wie eine Armee eines Tages aus dem Wald heraustreten könnten, um die
Urmitzer zu bestrafen.
    Er drehte das schwache Licht der
Öllampe wieder etwas heller. Hier wurde ihm noch bewusster, wie ausweglos und
gefährlich sein Vorhaben zu sein schien. Er kam sich klein und naiv vor, und
auch Reinulfs Worte und ihre vielen Treffen kamen ihm jetzt lächerlich vor. Reinulf
hatte nicht gewusst, wovon er geredet hatte, und er selbst auch nicht.
    Draußen vor der Türe hörte er ein
leises Rascheln. Kaum hörbar, so als hätte eine Maus es verursacht und doch war
Aron plötzlich hellwach. Es hatte sich angehört wie das kaum hörbare Scharren
von Schuhsolen auf den Holzdielen. Er hielt den Atem an und lauschte. Dann
stand er langsam auf und schlich mit nackten Sohlen zur Tür. Sie war Gott sei
Dank mit einem

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